Mittwoch, 27. Januar 2010

Sonntag, 30. Dezember 2007

Der Zins in der Kredit- und Geldwirtschaft


A. (Ernst Dorfner



Ursprünglich veröffentlicht 1994 in:
H.C. Binswanger/ P. v. Flotow » Geld und Wachstum .«
unter dem Titel » Der Zins in der modernen Geldwirtschaft «
ISBN 3-522-71670-1



Neuerdings wird vermehrt die Frage nach dem Zins als jenem Treibsatz aufgeworfen, der für das exponentielle Wachstum der Wirtschaft entsprechend der Zinseszinskurve möglicherweise verantwortlich sei und sich damit als der hintergründige Verursacher der Natur- und Umweltzerstörung herausstellen könnte. Dies scheint insofern naheliegend, als viele Entwicklungen im Bereich der Belastung unserer Erde durch den Menschen und seiner Wirtschaft gleichfalls einen exponentiellen Verlauf haben. Wenn wir nun in dieser Richtung Überlegungen anstellen, dann ist von der alltäglichen Erfahrung auszugehen, dass durch den Zins offensichtlich nicht nur eine Umverteilung und damit Konzentration des gesamten vorhandenen Geldvermögens einer Bestandsgröße - in immer weniger Hände bewirkt wird, sondern dieser Bestand auch ständig wächst und es so zur exponentiell wachsenden Akkumulation von Geldvermögen kommt.

Demnach vermehren Zinszahlungen das Geldvermögen, dass heißt, sie kommen zum Bestand dazu. Zinsen sind folglich ein Zuwachs, ein gesamtvolkswirtschaftlicher monetärer Mehrertrag, ein monetärer Mehrwert, wie ihn Karl Marx in seiner Formel G-W-G' darstellt. In diesem Sinn werden wir immer wieder von diesem Mehrertrag sprechen und damit den monetären Zuwachs des Vermögensbestandes meinen, also das, was auf das Vorhandene obere darauf gelegt wird.
Wenn es nun aber richtig ist, dass durch den Zins nicht nur eine Umverteilung des vorhandenen Geldbestandes bewirkt wird, sondern etwas zuwächst, dann ist auch die Frage zu beantworten,
woher denn das Geld für die Zinszahlungen überhaupt kommt. Unbedingt ist aber auch zu klären, warum wir Zinsen zahlen müssen
Sollten wir dies alles dann zeigen können, dürfen wir auch hoffen, den Prozess der Marktwirtschaft besser zu verstehen
Um weiteren Missverständnisse zu vermeiden, sei hier noch folgende Anmerkung festgehalten: In dieser Untersuchung werden unter dem Begriff Geld sowohl Notenbankgeld (oder Bargeld) als auch Forderungen auf Notenbankgeld verstanden. Wir schließen uns damit der üblichen ökonomischen Diktion an, ohne in das Für und Wider einzusteigen. Dabei ist uns bewusst, dass das öffentlich-rechtliche Schuldentilgungsmittel allein Geld im Sinne des Notenbankgeldes ist. (1)
Die Diktion wird aber auch im Sinne einer besseren Didaktik und Analytik verwendet, nicht nur, weil im Alltagsumgang auch dann von Geld gesprochen wird, wenn es sich um Forderungen auf Notenbankgeld handelt. Dies auch deshalb, weil Geld nicht erst mit dem Notenbankgeld entsteht, sondern aus Privatrechtsverträgen. Wie wir darstellen werden, bildet das Notenbankgeld den Schlussstein, nicht aber das Fundament des die Wirtschaft tragenden »Kreditgewölbes«.
All jene aber, die mit dieser Diktion nicht einverstanden sind, bitten wir zumindest im Sinne einer einheitlichen Sprachregelung um Verständnis.
Wenn deshalb tatsächlich Notenbankgeld gemeint ist, dann wird es auch mit diesem Wort oder dem Wort Bargeld deutlich beschrieben.

Ist der Zins tatsächlich ein Zuwachs?
Vom »Blutkreislauf des Geldes«

Ist der Zins nun tatsächlich ein Zuwachs, etwas, was zum Bestand als Draufgabe dazukommt? Zur Sicherheit wollen wir als erstes dieser Frage nachgehen, wobei wir bei der Antwortsuche von täglich beobachtbaren Gegebenheiten ausgehen wollen.

Borgt sich jemand Geld aus, um etwa damit eine Investition zu finanzieren, so hat er am Ende nicht nur die geliehene Summe, sondern auch den darauf anfallenden Zins zu erstatten. Das ist eine Binsenweisheit. Investiert dieser jemand zusätzlich auch eigenes Geld, so erwartet er sich eine Rendite oder Eigenverzinsung in Form des Gewinnes zumindest in der Höhe, wie er sie als Verzinsung für eine Geldanlage erhält. Das aber heißt, dass sich sämtliches von ihm investierte Geld »verzinsen« muss, wobei der Begriff »verzinsen« hier unscharf verwendet wird, um den erwarteten Zuwachs auf alles eingesetzte Geld vorerst einmal festzuhalten.

Nun gilt diese Erkenntnis aber nicht nur für einzelnen Unternehmer, sondern für alle Unternehmer zusammen: Um die »Zinsen« an die Geldverleiher und sich selbst zahlen zu können, benötigt jeder von ihnen einen Rückfluss an Geld durch den Verkauf seiner Produkte, der in der Summe höher ist als das früher in die Produktion hineingesteckte eigene und fremde Geld, das auf diese Weise als Einkommen ausbezahlt wird.
Weiterhin leitet sich aus dieser Erkenntnis ab, dass das gesamte in die Produktion hineingesteckte Geld, das wiederum auch das gesamte Volkseinkommen bildet, somit vorfinanziertes Geld ist und sich so »verzinsen« muss - und sich in der Realität offensichtlich auch »verzinst".

Gehen wir zur Vereinfachung unserer weiteren Begründungen vorerst von dem modellhaften Fall aus, dass sämtliches Geld, das alle Unternehmer in die Produktion hineinstecken, von den Geldverleihen ausgeborgtes Geld ist. Wird von diesen 100 verliehen, so erwarten sie bei 10% Zins nach einem Jahr 110 zurück. Daran ändert auch die Einbeziehung der Umlaufgeschwindigkeit nichts. Alles Geld, das die Unternehmer insgesamt brauchen und insgesamt in der Wirtschaft vorhanden ist, ist - um es nochmals zu wiederholen - durch Kredite vorfinanziert, und zudem - so nehmen wir weiter an - alles in Bargeld, also in Notenbankgeld, ausbezahlt; und diese Kredite sind auch wieder in Bargeld zurückzuzahlen. Dann kann auch nur ganz konkret dieses ausgeborgte Bargeld - x Hunderter und y Tausender - wieder zurückgezahlt werden und keine Mark mehr. Jeder Hunderter bleibt nur ein Hunderter, so oft er auch die Hand wechselt, so schnell er auch umläuft. Und ist der Hunderter zurückbezahlt, dann ist er erst dann wieder im Kreislauf, wenn ein neuer Kredit aufgenommen ist. Wohl kann dann mit dem neuen Kredit vorerst die alte Zinsschuld getilgt werden, wodurch aber bereits wieder eine neue Schuld samt neuer Zinsforderung entsteht.
Mit anderen Worten: Verzinsung verlangt eine Vermehrung des vorhandenen Bestandes an Geld. Der Zins kann somit nicht einfach durch Umverteilung oder Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit einer vorhandenen Geldmenge zustande kommen. Denn durch keines der beiden wird dieses Vorhandene mehr. Es ist möglicherweise nun anders aufgeteilt, aber in der Summe gleichviel geblieben.

Nun gehen alle Klassiker und Neoklassiker der Nationalökonomie von der Modellvorstellung eines Kreislaufes des Geldes aus, vergleichbar dem Blutkreislauf - zurückzuführen auf Francois Quesnay, dem Leibarzt von Ludwig XV., einem der Väter der ökonomischen Wissenschaft.
So fließen aus den Unternehmen Geld in Form von Einkommen auf der einen Seite, die dort produzierten Waren auf der anderen Seite. (2) Entsprechend dem Gesetz von Say schafft damit jedes Angebot auch seine Nachfrage. Dabei wird nach etlichen Waren eine höhere monetäre Nachfrage entstehen als dem Angebot entspricht, wobei nach gängiger Meinung der Preis hierfür steigen wird und der Unternehmer so Mehreinnahmen erhalten kann. Zwangsläufig aber wird dann die monetäre Nachfrage nach anderen Waren demgemäss sinken müssen, also kleiner sein als das Angebot. Damit werden die Preise dort sinken und diese Unternehmen entsprechende Mindereinnahmen einfahren. Im Gesamtsaldo über alle Unternehmen wird sich das auf Null ausgleichen.
Ist nun aber dieser Gesamtsaldo Null, dann heißt das auch, dass unter diesen Umständen die Geldverleiher keine Zinsen für das in die Produktion hineingesteckte Geld kassieren können. Unter der oben getroffenen Modellannahme, dass sämtliches in die Produktion gestecktes Geld geborgtes Geld ist, wird dies am einfachsten erkennbar. Dieses Geld ist dann das gesamte Geld, das vorhanden ist. Anderes Geld, auf das zurückgegriffen werden könnte, ist nicht da.
Wohl können unter diesen Umständen die erfolgreichen Unternehmen mehr zurückzahlen, als sie aufgenommen haben, die erfolglosen Unternehmen dagegen aber nicht einmal das, was sie aufgenommen haben, und zwar in Summe insgesamt um das weniger, was die erfolgreichen in Summe an Mehrertrag kassieren und damit maximal an Zinsen zahlen können. In Summe aber haben dann alle Geldverleiher zusammen wieder das, was sie verliehen haben. Eine Vermehrung ihres Geldvermögens ist so nicht erfolgt, wie es über den Zinseszinsmechanismus tatsächlich möglich wird: Und auch durch die Statistiken der Geldvermögens-Akkumulation immer wieder bewiesen wird.
Diese Theorie kann somit das Zustandekommen der real existierenden Zinszahlungen als gesamtvolkswirtschaftlichen Mehrertrag überhaupt nicht erklären.

Wenn wir nun unsere vereinfachte Modellannahme verlassen, dann sollten wir darüber hinaus erkennen, dass die Marktwirtschaft unter dieser Bedingung überhaupt nicht funktionsfähig sein kann. Es könnten nämlich in der Summe nicht nur keine Zinsen erhalten und bezahlt werden, sondern Gewinnerträge auch nur soweit, als ihnen in der Summe gleich hohe Verluste gegenüberstehen. Wobei unter Gewinn der Überschuss der Einnahmen eines Unternehmers gegenüber seinen Ausgaben zu verstehen ist. Wenn jedoch in einer gesamtvolkswirtschaftlichen Rechnung die Einnahmen aller Unternehmer zusammen ihren Ausgaben entsprechen, dann bleibt ein Ertragssaldo von Null. Erzielen dann einzelne Unternehmer Gewinne, dann muss der gesamten Gewinnsumme der erfolgreichen Unternehmer eine gleich hohe Verlustsumme der erfolglosen Unternehmer gegenüberstehen. Diese erfolglosen Unternehmer müssten dann in relativ großer Zahl laufend aus dem Wirtschaftsprozess ausscheiden. Ein gnadenloser Selektionsprozess mit all seinen wirtschaftlichen und sozialen Folgen würde dann immer rascher ablaufen und schnell zum Kollaps des ganzen Systems führen. Denn die Wirtschaft funktioniert nur,

wenn im Saldo die Gewinne dominieren. Wenn dies nicht der Fall ist, wenn kein Gewinnpolster vorhanden ist, würde jeder Verlust sofort zum Bankrott der Verlust-Betriebe führen, was zum Ausscheiden der betreffenden Betriebe führen müsste. Das Resultat wäre eine kumulative Schrumpfung der Wirtschaft. (3)

Wir können deshalb von der gesicherten Erkenntnis ausgehen, dass die Zinsen und auch die durchschnittlichen Gewinne einen Zuwachs darstellen, also etwas, was zum Vorhandenen hinzukommt und deshalb nicht das Ergebnis einer Umverteilung sein kann. Und wir können auch davon ausgehen, dass sich die Zinserträge und der Gewinn diesen Mehrertrag teilen müssen. Wobei natürlich der einzelwirtschaftliche Gewinn zum Teil auch den Ertragsschwankungen zwischen den einzelnen Unternehmen infolge ihrer unterschiedlichen Tüchtigkeit im Wettbewerb geschuldet ist.

Spieltheoretisch ausgedrückt bedeutet das aber, dass unsere Wirtschaft kein Nullsummenspiel ist wie das Kartenspiel, bei dem die Gewinne des einen die Verluste der anderen sind. Bei dem Spiel »Marktwirtschaft« gehen grosso modo alle mit Gewinnen nach Hause, wenn auch in unterschiedlicher Höhe, und so auch einige wenige mit Verlusten.

Genau diesen Umstand hat Marx mit seiner Formel G-W-G' ausgedrückt, nicht aber zu erklären vermocht, wo »das Geld herkommt, um den Mehrwert zu versilbern« . (4)
In diesem Sinn wird nun vorerst einmal die Behauptung in den Raum gestellt, dass die Einnahmen der Wirtschaft gegenüber den Ausgaben entsprechend anwachsen müssen, um so einen ausreichenden Mehrertrag für die Finanzierung der Gewinne und Zinsen zu erwirtschaften, so dass auch für die Erfolglosen oder weniger Erfolgreichen soviel an Ertrag bleibt, dass sie mehrheitlich überleben können, also daraus zumindest die Abschreibungen und die Zinsen auf das geliehene Geld zu zahlen vermögen.
Unter diesen Umständen bewegen sich dann die Ertragsschwankungen der einzelnen Unternehmen nun nicht mehr um Null, sondern um einen Wert über Null, so dass nur wenige Ausschläge nach unten auch in den negativen Bereich, in den wirtschaftlichen »Frostbereich«, reichen. Nur diese relativ wenigen Betriebe müssen dann ausscheiden.
Eine stabile Wirtschaft ist demnach durch einen einigermaßen weit über der Null-Linie liegenden mittleren Ertragswert gekennzeichnet, und umgekehrt eine instabile durch einen nahe bei Null liegenden.

Die vielen Firmenzusammenbrüchen im Rezessionsjahr 1993 können durchaus auf diesen Umstand begründet werden: Weil die Einnahmen der Wirtschaft insgesamt gegenüber den Ausgaben zuwenig anwachsen - weil also die Wirtschaft zuwenig wächst -, bleibt im Saldo zuwenig Geld für die Finanzierung der Gewinne und Zinsen übrig. Die Gewinne der noch erfolgreichen Unternehmen führen damit immer mehr zu tatsächlichen Verlusten der erfolglosen - d. h., sie können auch die Fremdschulden nicht mehr bedienen - und damit zu einer steigenden Zahl an bankrotierenden Firmen.


Das falsche Bild von der Marktwirtschaft als Tauschwirtschaft
- Am Anfang ist das Geld

Auch wenn jede Theorie, frei nach Goethe, grau ist, so zeigt die obige Darstellung doch, dass die Formel G-W-G' die Dynamik unserer Wirtschaft mit deren Akkumulation von Geldvermögen offensichtlich richtig beschreibt. Und wir erkennen, dass es sich je nachdem, ob Waren einfach getauscht werden, oder ob am Anfang das Geld steht, um unterschiedliche Wirtschaftsformen handelt. Und vor allem, dass die Marktwirtschaft nicht dem Bild einer geldvermittelten Tauschwirtschaft entspricht.
Dieses Bild einer Tauschwirtschaft geht dabei von der Vorstellung aus, dass die einzelnen Marktteilnehmer mit fertigen Waren auf den Markt kommen und dort gegen andere tauschen – ohne oder mit Hilfe des Geldes. Dies gilt insbesondere auch für den Anfang dieser Ablaufkette, also auch für die Neueinsteiger in diese Wirtschaft. Dies aber setzt voraus, dass er - also der Neueinsteiger - diese Waren bereits vorher angefertigt hat und auch anfertigen konnte, was wiederum bedeutet, dass er auch freien Zugang zu allen Ressourcen hat, die hierfür notwendig sind. Er muss diese also nicht vorher kaufen, in sein Eigentum bringen. Und er kann sie auch nicht kaufen, weil er Geld erstmalig durch den Verkauf seiner Produkte erhält. (5)
Zu diesen Ressourcen aber zählen nicht nur Rohstoffe und Vormaterialien, die in das Produkt eingeben, sondern auch die Existenzmittel der Produzenten, welche die Waren anfertigen: Also nicht nur Holz, Leim und Nägel sowie das Werkzeug für die Anfertigung des Tisches, sondern auch Speise, Trank, Kleidung und Wohnung der Arbeiter. Nach all dem können sie, wenn auch mit Arbeit verbunden, unentgeltlich - ohne Geld - zugreifen.
Daraus leitet sich aber auch ab, dass in den am Markt angebotenen Waren nur ein Teil der eingesetzten Arbeitskraft steckt, während der übrige Teil in die direkte Existenzsicherung gehen muss. Am Markt angeboten wird somit nur ein Teil der produzierten Güter, ein Überschuss etwa an Getreide, der gegen den Überschuss anderer Güter, etwa Kleidung, getauscht wird. Grundsätzlich ist aber die eigene Versorgung mit dem Lebensnotwendigen nicht über den Markt, sondern durch den eigenen »Haushalt« möglich und sichergestellt. Etwa so, wie es noch vor 100 Jahren in einer weitgehend autarken Bauernwirtschaft der Fall war. Aristoteles bezeichnet diese Wirtschaftsform als Oikonomike, die Hausverwaltungskunde, und unterscheidet ganz deutlich davon die Chrematistike, die »Krämerkunde«, die Handels oder Erwerbswirtschaft. Aristoteles schreibt:

»Der anfängliche Tauschhandel hatte durchaus natürlichen Ursprung, indem die Menschen von einem Gegenstand mehr und von einem anderen weniger haben, als sie bedürfen. (... ) Ein solcher Tauschhandel nun ist weder wider die Natur, noch bildet er bereits eine Klasse des Gelderwerbs, denn er entstand nur, um die Mängel auszufüllen, die der natürlichen Autarkie des Lebens im Wege stehen; aber aus diesem entsprang jene Kunst des Gelderwerbs in sehr begreiflicher Weise.« (6)

Es handelt sich also bei der angenommenen Tauschwirtschaft um eine Wirtschaftsform, in welcher der Zugang zu den Ressourcen für jedermann mehr oder weniger möglich ist und Geld nur als Tauschhilfsmittel in Sonderfällen fungiert.

In der Wirtschaftsform, in der wir leben, ist aber das Geld die unbedingte Voraussetzung, um überhaupt den Zugang zu de Produktionsressourcen zu erlangen, die - und das ist ganz entscheidend – mehrheitlich im Eigentum irgendwelcher anderer Personen sind. Jeder Neueinsteiger in dieser Wirtschaft muss sich zuerst Geld besorgen, um damit den Zugang zu dem Eigentum anderer zu erlangen.

Privateigentum ist also ein Kennzeichen der modernen Marktwirtschaft, aus dem sich eine ihrer wesentlichen Funktionsbedingungen ableitet: Um überhaupt produzieren zu können, ist der Zugang zu den Produktionsressourcen herzustellen, die überwiegend im Eigentum irgendwelchen Dritter sind. Wobei unter diesen Ressourcen nicht nur Rohmaterialien, Werkzeuge und Maschinen zu verstehen sind, sondern auch die Existenzmittel der Produzierenden, der Arbeiter: Essen, Kleiden, Schlafen, Unterhaltung. Doch äußert sich die Marktwirtschaft nicht im statischen Besitz von Produktionsmitteln. Dieser statische Besitz ist vielmehr Kennzeichen des Feudalismus.
Die moderne Marktwirtschaft ist durch Dynamik gekennzeichnet: Sie entsteht erst in dem Augenblick, wo eine Person mit dem Eigentümer bestimmter Ressourcen einen Vertrag abschließt, der ihr den Zugang zu diesen für seine Produktion nötigen Ressourcen ermöglicht. Marktwirtschaft heißt deshalb Privateigentum, aber gerade nicht, auf dem Eigentum sitzen zu bleiben, sondern es gegen einen Vertrag wegzugeben, oder - wie wir noch zeigen werden - mit einem Vertrag auf das Spiel zu setzen. (7) Marktwirtschaft verlangt demnach auch vertragsfähige Personen, vertragsfähige Individuen. Privateigentum und vertragsfähige Personen aber setzen noch etwas weiteres voraus: nämlich den Rechtsstaat mit seinem Gewaltmonopol zur Durchsetzung dieser Rechtsansprüche, wobei ja auch Eigentum ein Rechtsanspruch ist und sich durch diesen vom Besitz unterscheidet.
Mit den Eigentümern dieser Ressourcen ist daher eine vertragliche Übereinkunft im Sinne eines Schuldvertrages herzustellen, der eine Refundierung für die Entnahme aus dein Eigentum des Dritten zusichert. Diese Refundierung erfolgt durch Geld.
Nehmen wir das als Faktum so hin. Zur Frage, was denn dieses Geld überhaupt ist und wie es entsteht, werden wir noch kommen.
Vorerst sollte an dieser Stelle aber auf eine irreleitende theoretische Vorstellung in unseren Köpfen hingewiesen werden, die mit dem Geldkreislauf zusammenhängt, wie wir ihn weiter oben schon dargestellt haben. Die Vorstellung ist ja allgemein die, dass mit dem Geld, das jeder von uns für seine Arbeit bezieht, gerade die Produkte gekauft werden, die eben durch diese Arbeit auch jetzt produziert werden. Obwohl die Unlogik offensichtlich ist und mit unserer praktischen Erfahrung nicht übereinstimmt, wird überwiegend so gedacht.
Mit dem Geld, das heute für die Fertigung von Waren bezahlt wird, die erst in Zukunft fertig werden und dann erst verkauft werden können, werden tatsächlich Waren gekauft, die schon fertig am Markt angeboten werden. Das ist auch unsere praktische Erfahrung. Denn wir wissen ganz genau, dass die Winterkleidung, die wir im Herbst kaufen, schon im Frühjahr konfektioniert wurde und den Textilarbeiterinnen die Löhne schon längst ausbezahlt wurden, mit denen sie auch damals bereits einkauften. Produzieren heißt deshalb ja auch Vorfinanzieren, heißt Verschuldung der Unternehmer, und Verkaufen heißt Einnehmen des Geldes, mit dem diese Schulden samt Zinsen wieder getilgt werden.
Nun können wir aber zudem auch sagen, dass die große Masse der Käufer, der Konsumenten, heute insgesamt nur das ausgeben können, was sie heute als Arbeitnehmer insgesamt auch einnehmen. Nehmen sie heute im Vergleich zu gestern mehr ein, können sie heute mehr ausgeben, nehmen sie weniger ein, können sie weniger ausgeben. Sie nehmen aber heute nur dann mehr ein, wenn die Unternehmer heute mehr Geld als gestern für die Herstellung der Produkte ausgeben, die morgen fertig angeboten werden. Wenn also die Unternehmer mehr Arbeit nachfragen und hierfür mehr Geld ausgeben. Die Höhe dieser Ausgaben bestimmt dann wieder die effektive Nachfrage, die aber wiederum bestimmt, ob die Unternehmer in Gesamtheit ihre heute fertigen Waren zu einem Preis verkaufen können, der höher ist als die gestern vorgeschossenen Kosten. Oder anders herum: Ob sie einen Mehrertrag gutbuchen können, und wie hoch dieser ist. Unweigerlich stellen sich hier nun zwei Fragen, die vorerst paradox erscheinen:
Ø Ob und wie denn die Produzenten in ihrer Gesamtheit heute mehr Geld ausgeben können als sie gestern ausgaben und damit auch einnehmen konnten? Oder kurz: Ob die Unternehmer mehr ausgeben können als sie einnehmen?
Ø Wie dann die einzeln Produzenten einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben erzielen können, wenn sie mehr ausgeben als sie einnehmen?


Geld entsteht aus Kredit. Was aber ist Kredit?
- Kredit und Ersparnis

Um die Frage zu klären, wie Unternehmer in ihrer Gesamtheit mehr ausgeben können als sie einnehmen, ist zu klären, was denn Geld und Kredit überhaupt sind.
Kredit - so die übliche Vorstellung - kann nur jemand geben, der Geld übrig hat, es also für eigene Ausgaben derzeit nicht braucht. Demnach kann auch nur soviel an Krediten gegeben werden wie an Ersparnissen vorhanden ist. Kredite sind darin in Summe jene Einkommen, die von ihren Empfängern nicht direkt ausgegeben werden, sondern über die Kreditnehmer. Insgesamt bleibt damit die Höhe der monetären Nachfrage genau in Höhe der Ausgaben der gesamten Unternehmer erhalten. Was an Krediten vergeben wird, muss vorher durch Nichtverbrauch gespart werden.
Diese Vorstellung führt uns jedoch nicht weiter: Sie widerspricht der Realität unserer Wirtschaft mit ständig steigender monetärer Nachfrage, wie sie durch die Formel G-W-G' beschrieben wird. Sie leitet sich aus der Vorstellungswelt einer Getreidewirtschaft ab, in der eben nur soviel an Getreide verliehen werden kann wie von den Verleihern erspart wird. Wenn es sich beim Geliehenen noch zusätzlich um Saatgetreide handelt, dann kann aus der darauffolgenden Ernte auch der »Zuwachs« begründet werden. Während sich aber Getreide so »von selbst« vermehrt, vermehrt sich solcherart Geld gerade nicht: »Geld bringt keine Kinder hervor «.

Eine Geldwirtschaft unterscheidet sich davon also deutlich. Deshalb noch einmal die Frage: Was ist »Geld«?
Wir haben bereits festgestellt, dass unsere Wirtschaft, die Marktwirtschaft, Privateigentum, vertragsfähige Rechtspersonen und den Rechtsstaat als konstituierende Institutionen voraussetzt. Durch Vertrag wird so die Zugriffsmöglichkeit einer Rechtsperson auf das Eigentum einer anderen Rechtsperson ermöglicht. Dieser Vertrag muss auch einen Erfüllungsinhalt haben. Evolutionär hat sich hierfür ein Medium entwickelt, das wir »Geld« nennen.
Dieses Medium »Geld« bietet gemäß unseren Beobachtungen eine weitere konstituierende Institution der modernen Marktwirtschaft an: Das Bankensystem.
Die Banken erfüllen in diesem System eine ganz entscheidende Aufgabe, nämlich den mit dem Eigentumsübergang abgeschlossenen Schuldvertrag zwischen Käufer und Verkäufer zum einen durch einen Schuldvertrag zwischen dem Käufer und der Bank abzulösen. Mit diesem Vertrag wird dem Käufer ein Kredit zugeteilt, aus dem heraus er den Verkäufer mit »Geld« bezahlen kann und damit den Zugriff auf dessen disponibles Eigentum erhält. Mit Hilfe der Bank wird dabei die Schuld des Käufers gegenüber dem Verkäufer aufgelöst: Geld ist somit zuallererst Schuldentilgungsmittel gegenüber dem Verkäufer, hinter dem aber noch immer das Schuldverhältnis des Käufers gegenüber der Bank steht,
Die Rolle der Banken ist damit die eines Sammlers von Verträgen auf Erfüllung in der Zukunft, also ein Geschäft mit dem Produkt »Vertrauen«, das Kreditgeschäft.
Zum anderen wird aber der ursprüngliche Vertrag zwischen Käufer und Verkäufer durch diesen Kreditvertrag nicht nur ersetzt, sondern durch einen zweiten Rechtsanspruch des Verkäufers gegenüber der Bank ergänzt, der mit allseits anerkanntem Vertrauen ausgestattet ist. Der ursprüngliche »Rechtsanspruch auf Erfüllung in Zukunft« in der Hand des Verkäufers wird von der Bank übernommen und dadurch umlauffähig gemacht, das heißt, dass durch die Weitergabe dieses Rechtstitels Zahlungsansprüche getilgt werden können. Damit hat nun die Bank »Geld« geschöpfte.
Die Bank wird damit zur Vermittlungs- oder Clearingstelle, die einerseits Forderungen gegen die Schuldner hält, denen entsprechende Verpflichtungen gegen die Anspruchsberechtigten gegenüberstehen. Diese Forderungen bzw. Verpflichtungen werden in Konten festgehalten. Durch das Akzeptieren einer Forderung durch die Bank bezahlt der Käufer, durch Übernahme der Verpflichtung durch die Bank wird der Verkäufer bezahlt. Forderung und Verpflichtung stehen sich dann in der doppelten Buchhaltung gegenüber. Damit haben wir »umlauffähige« Zahlungsmittel, also schlechthin Geld, auch wenn dieser Umlauf nur durch Umbuchungen von Guthaben und Schulden erfolgt.

Allerdings reicht dieser Rechtstitel als Zahlungsmittel auch wieder nur so weit, wie das Vertrauen in die einzelne Bank reicht. Diese Reichweite kann nun aber nochmals erweitert werden, indem der Staat das Geldwesen an sich zieht und es als rechtsstaatliche Instanz absichert. Das von der Notenbank ausgegebene Geld - das Notenbankgeld - ist damit das gesetzliche Zahlungsmittel mit unbedingtem Anspruch auf Schuldentilgung, hinter dem nun auch der Staat mit seinem Gewaltmonopol steht. Allein dieses Notenbankgeld ist rechtlich gesehen Geld, während alles das, was wir bis jetzt besprochen haben, Forderungen auf Geld sind, die wir heute jedoch einfach als Geld akzeptieren. Das Notenbankgeld entsteht nun aber genau so wie oben geschildert durch Aufnahme von Krediten. Hier von Notenbankkrediten durch die Geschäftsbanken, durch die diese mit Notenbankgeld, mit Bargeld, versorgt werden. Dazu reichen die Banken Wechsel von Unternehmen bei der Notenbank ein und lassen sich diese refinanzieren. Eine Alternative dazu ist insbesondere der Ankauf von Schatzwechseln durch die Notenbank. »Neues« Geld kommt damit in den Umlauf
Dabei wird nun besonders deutlich, dass diese Kredite nicht auf Ersparnissen beruhen, sondern neugeschöpft sind. Deshalb fallen neben den Kosten für die Dienstleistung und einem Zuschlag für Gewinn und Risiko keine Kosten für die Kreditgewährung an. Theoretisch könnte also die Notenbank diesen Kredit mit einem Zinssatz zur Verfügung stellen, der diesen beiden Kosten entspricht.

Anzufügen ist, dass dieses Bargeld eine besondere Qualität der Zahlungsfähigkeit hat, die unabhängig ist von der Bonität einer bestimmten Geschäftsbank. Zahlungen erfolgen dabei nicht durch Umbuchungsvorgänge in den Geschäftsbanken, sondern durch körperliche Übergabe des Bargeldes. So wird Bargeld auch längerfristig von Nichtbanken gerade wegen einer besonderen Qualität der Zahlungsfähigkeit gehalten, also von Personen, deren Geschäft gerade nicht die Kreditgewährung ist.


Die Unternehmer können mehr ausgeben als sie einnehmen
- Kredit bedeutet Liquidisierung von Eigentum

Banken emittieren solcherart »umlauffähige« Zahlungsmittel, also schlechthin »Geld«, womit der Zugang zum Eigentum Dritter möglich wird. Dieses Geld findet seine Wertgrundlage im Vertrauen auf den Kreditnehmer, dass dieser seiner Schuldverpflichtung durch Aufnahme einer rentablen Produktion nachkommt und hierzu alle Anstrengungen unternimmt. Nun ist aber eine solche Schuldverpflichtung keine nur moralische Kategorie. Da ein Kredit den Zugang zu materiellem und immateriellem Eigentum von Dritten ermöglicht, das in die Produktion eingeht, muss hinter einer Schuld auch eine Haftung stehen, wobei der Einsatz für die Haftung, also das, was man für die Haftung »hinterlegt«, in der gleichen Kategorie liegen muss wie der durch den Kredit ermöglichte Zugriff auf das Eigentum anderer. Hinter der Haftung muss somit etwas stehen, das bei Nichterfüllung an den Gläubiger übertragen werden kann Und seinen Verlust kompensiert: die Übertragung von verwertbarem Eigentum des Schuldners.
Kredite sind also durch verwertbares Eigentum zu besichern. Kredit heißt in diesem Sinn nichts anderes als Liquidisierung von Eigentum, heißt, bereits vorhandenes Eigentum auf das Spiel zu setzen. Kredit und Geld erwächst aus Eigentum.
Das aber heißt - und ist besonders hervorzuheben -, dass Kredit in diesem Verständnis keine volumenmäßige Beschränkung in Ersparnissen findet, sondern nur in verwertbarem (von der Bank als Sicherheit anerkanntem) Eigentum zur Sicherstellung des Kredits. Mit dem Wachsen von Eigentum wächst aber damit auch das gesamte mögliche Kreditvolumen.
Mit dem ansteigenden Kreditvolumen steigt aber auch das Geldvolumen.
So kann auch festgehalten werden, dass Kredite nicht an das Vorhandensein von Geld gebunden sind. Geld entsteht vielmehr erst durch Kredite. Und je mehr Kredite nachgefragt und vergeben werden, um so mehr Geld entsteht.
Wir haben es hier mit einem Verschuldungssyndrom zu tun: Geld entsteht aus der gegenseitigen und wiederkehrenden Verschuldung von Privatpersonen. Eine Gesellschaft von vielen Vertragspersonen und Privateigentümern ist dabei notwendig, um dieses Syndrom in Gang zu setzen.
Anzumerken bleibt dabei, dass Geld - so wie wir es kennen - eine Gesellschaft von Rechtspersonen und Privateigentum voraussetzt, die eben gegenseitig etwas aufs Spiel setzen und dabei ein Eigentumsübergang vom einen zum anderen möglich sein muss. In einer sozialistischen Gesellschaft nur mit Gemeinschaftseigentum kann es daher auch nur eine Imitation »unseres« Geldes geben, also des Geldes einer Gesellschaft, in der privatrechtliche Eigentumsverträge konstitutiven Charakter haben.

Bei einer oberflächlichen Betrachtung hätte nun aber Kredit eigentlich wenig mit Vertrauen zu tun: Der Kredit scheint ja recht handfest durch Eigentum abgesichert. Dass dem nicht ganz so ist, werden wir weiter unten im Zusammenhang mit der Erstellung von Bilanzen und der Gewinn- und Verlustrechung sehen. Denn auch den Ziffern einer Bilanz kann mit mehr oder weniger Vertrauen begegnet werden. Eingeschlossen darin ist ja das Problem der Bewertung des Anlagevermögens. Vertrauen heißt damit vor allem auch Vertrauen in die Bilanz.
Durch die Ausdehnbarkeit des Kreditvolumens ist es möglich, von Periode zu Periode mehr Geld in die Produktion zu investieren, wodurch auch die monetären Einkommen sofort steigen, während die Waren, die letztlich aus der Investition hervorgehen, erst später auf den Markt kommen. Damit aber steigt auch die effektive monetäre Nachfrage nach den heute bereits fertigen Waren, so dass diese zu einem Preis verkauft werden können, der höher ist als ihre Kosten.
Weil also das Kreditvolumen - und damit auch das Geldvolumen - durch Verpfändung und Liquidisierung von Eigentum ausdehnbar ist, wird es möglich, dass die Unternehmer in ihrer Gesamtheit dann mehr Geld - für Investitionen und den Eigenkonsum - ausgeben können, als sie in ihrer Gesamtheit einnehmen. Und zwar dadurch, dass sie zusätzliche Kredite aufnehmen Zusätzliche Kredite sind dabei solche, die über die Summe der Ersparnisse aller Wirtschaftssubjekte - Unternehmer und Konsumenten – hinausgehend. (8)


Die Besicherung der Kredite durch Eigenkapital
Der Zins als Instrument der Kreditrationierung

Die Unternehmer rechnen in ihrer Preis-Kalkulation auch die Finanzierungskosten und einen auch die Zuschlag für Wagnis und Gewinn zu. Damit aber werden die Stückpreise höher als die vorfinanzierten Kosten. Folglich kann die ganze produzierte Stückzahl nur dann zu den gegebenen Preisen abgesetzt werden, wenn das Gesamteinkommen und damit die effektive Nachfrage höher ist als es den vorfinanzierten Kosten entspricht. Das aber ist nur dann möglich, wenn die Wirtschaft wächst.
Das Wachstum der Wirtschaft ist nun aber auch möglich: Die Unternehmer müssen nur genügend Zuversicht zeigen und insgesamt genügend »neues« Geld für Netto-Investitionen (und Konsum) ausgeben.
Dieses »neue« Geld wird über die Kreditvergabe des Bankensystems geschöpft, wobei die Banken diese Kredite von den Unternehmen besichert haben wollen.
Wie aber ist das möglich, wenn dem Anlage- und Umlaufvermögen entsprechende Forderungen gegenüberstehen, diese also den Unternehmen definitiv noch gar nicht gehören, und dann, wenn diese fremdfinanzierten Investitionen abgeschrieben sind, dieses Anlagevermögen bilanzmäßig nicht mehr existiert?
Wir haben bereits festgestellt, dass durch die Netto-Investitionen und das dafür ausgegebene Geld Gewinne erst möglich werden und damit auch neue Nettoersparnisse in Form von Vermögenszuwächsen. Diesen Vermögenszuwächsen stehen auch Zuwächse an Verschuldungen gegenüber, Verschuldungen und damit Kredite, die gerade nicht auf bereits vorhandenen Ersparnissen beruhen. Ersparnisse sind also nicht die unbedingte Voraussetzung von Krediten, sondern das Ergebnis von Krediten. Diese Netto-Ersparnisse sind durch entsprechende Verschuldungen gedeckt. Dies ist an Hand der doppelten Buchhaltung auch nachvollziehbar: Buchungen auf der Sollseite müssen zwangsläufig und gleichzeitig auch Buchungen auf der Habenseite gegenüberstehen. Erst dort, wo es einen Schuldner gibt, kann es auch einen Gläubiger geben. Und wenn der Gläubiger im ersten Schritt eine Bank ist, so wird diese dadurch erst in die Lage versetzt, die Zinsen auf ihre Einlagen zu zahlen. Eine einseitige Gutbuchung von Zinsen ist ohne diesen Schuldner gar nicht möglich.
Hinzuzufügen ist, dass dies letztlich nicht nur für die Netto-Ersparnisse, sondern für alle Ersparnisse gilt, die ja ursprünglich alle auf die gleiche Weise als Netto-Ersparnisse entstanden sind. Nur so kann ja die Entwicklung auch einen Anfang haben, muss also nicht auf einen vorhandenen Bestand von Geld aufbauen. (9) Auf diese Art entsteht nun aber auch immer wieder neues Geldvermögen. Und zwar vorerst in Form von Finanzanlagen. Die Bemühungen der Unternehmen, vor allem der Kapitalgesellschaften, gehen nun aber dahin, die ursprünglichen Bankenfinanzierungen durch Eigenkapital zu ersetzen, indem sie mit Anteilscheinen an die Börse gehen.
Diesem Eigenkapital auf der Passivseite stehen dann bilanzmäßig zwar genauso die Anlagen- und Umlaufwerte auf der Aktivseite gegenüber wie bei Fremdkapital, doch unterscheidet sich das Eigenkapital vom Fremdkapital dadurch, dass es abgewertet in seinen Ansprüchen reduziert werden kann, wogegen die Außenschuld voll besichert bleibt - sofern das Unternehmen nicht überhaupt bankrotiert. Die Aktionäre und Gesellschafter tragen also allein das Risiko, wofür sie aber auch eine Rendite erwarten können, die über die Verzinsung von Finanzanlagen hinausgeht. Kurz gefasst könnte auch gesagt werden: Das Fremdkapital wird mit dem Eigenkapital besichert.
Die Erwartungen auf einen höheren Ertrag der Sachanlagen sind es aber wiederum, die den Prozess der Veranlagung steuern. Von ihnen hängt es ab, wie rasch die Unternehmen nach »außen« wieder kreditfähig werden.

Der Haftungsrahmen ist somit abhängig vom Anteil des Eigenkapital Der Haftungsrahmen ist somit abhängig vom Anteil des Eigenkapitals am Anlage- und Umlaufvermögen. Da die Bedienung des Eigenkapitals als Risikokapital erst nach der Bedienung des Fremdkapitals kommt, also darauf warten muss, was übrig bleibt, ist eine Bedeckung von neuen Bankkrediten bei Ausdehnung des Eigenkapitals immer wieder möglich. Der Haftungsrahmen wird somit bei positiven Erwartungen durch Erweiterung des Eigenkapitals rasch wieder für eine neuerliche Kreditaufnahme und eine neuerliche Netto-Investition frei. Das Spiel kann somit von neuem beginnen, wobei es sich aber auch immer weiter ausdehnt, weil der Haftungsrahmen mitwächst.
Der Kreditschöpfung ist damit im Prinzip keine Begrenzung gesetzt.
lnsofern sind also Kredite niemals knapp. Ob jemand einen Kredit bekommt, hängt unter diesen Umständen nur von ihm selbst ab, nämlich von seiner Kreditfähigkeit. Kredit hängt so allein davon ab, ob jemand »Kredit« hat, nicht aber davon, ob andere Ersparnisse getätigt haben. Insoweit - aber auch nur insoweit gibt es keinen Knappheitspreis für Kredite in Form des Zinses, der durch das Zurückhalten von Geld - also durch das Horten erpresst werden könnte. Denn mit dem Kredit entstehen Zahlungsmittel sozusagen »aus dem Nichts«. Wobei sich der Preis der Bereitstellung von Zahlungsmitteln vorerst aus den Kosten für die zu erbringende Dienstleistung und einem Zuschlag für Risiko und Gewinn ergibt. Damit aber hat dieser Kredit als »herstellbares« Gut keine sehr spezifische Eigenart im Sinne eines Markenproduktes. Vielmehr ist diese Gut relativ leicht substituierbar, relativ leicht durch einen anderen »Produzenten« anzubieten. In diesem Sinn ist Kredit als ein homogenes Gut zu bezeichnen und sein Preis sehr stark dem Konkurrenzdruck ausgesetzt und gerade nicht aus einer Monopolsituation der einzelnen Geschäftsbank heraus begründbar.
Allerdings ist hier anzumerken: Wenn Kredit insoweit nicht knapp und Geld insoweit beliebig vermehrbar ist, geht es nun darum, dieses zu verknappen. Denn Geld, das nicht knapp ist, weil es jeder herstellen kann, ist kein Geld mehr!
Wir kommen später noch ausführlich darauf zurück.
Weiterhin aber lässt sich der Zins auch nicht ausschließlich als Risikoprämie für die Gewährung von Krediten begründen, da Kredite nur gegen entsprechende Sicherstellungen vergeben werden und ein über das übliche Geschäftsrisiko hinausgehendes Risiko nicht besteht. Allerdings ist es eine mit entsprechenden Recherchen in den Geschäftsbüchern verbundene Einschätzung des üblichen Geschäftsrisikos, die im konkreten Fall den »Kredit« des einzelnen, das Vertrauen in seine Sicherstellungen, begründet. So können sich im Fall der Nichtbedienbarkeit des Kredites diese Sicherstellungen - meist in Form von Anlagevermögen oder Grundstücken auch als falsch bewertet herausstellen. Für diese Fälle ist aber dann wie bei jedem anderen Unternehmen der Zuschlag für Gewinn und Risiko vorhanden.

Beispielhaft könnten all diese Feststellungen mit dem TALENTE-Experiment dargestellt werden, wenn dabei in Betracht gezogen wird, dass die gewährten Kredite nicht nur Konsumkredite sind, sondern für Investitionen verwendet werden. Auch hier sind die Kredite von keinen Ersparnissen abhängig, da das Modell als ersten Schritt Kredite vergibt, wodurch auf der einen Seite Schulden, auf der anderen Seite erst Ersparnisse entstehen. Für die Kreditvergabe wird sich jedoch auch hier sehr rasch die Frage der Sicherstellung ergeben. Damit die Kredite knapp bleiben, sind allerdings von vornherein Kreditlimite vorgesehen.
Nun werden mit dem aus den Krediten fließenden Geld Ressourcen, also reale Waren und Leistungen, nachgefragt, die nur begrenzt vorhanden sind. Eine unbeschränkt steigende Kreditexpansion geht damit einher mit einer unbeschränkt steigenden Nachfrage, wobei es auch zu einer Übernachfrage nach einzelnen begrenzt vorhandenen Ressourcen kommen kann. Die hohe effektive Nachfrage, die es bislang den Unternehmen ermöglicht, über die Preise ihrer Erzeugnisse einen Überschuss zu realisieren, aus dem heraus Gewinn und Zinsen bezahlt werden, bewirkt dann eine inflationäre Preissteigerung. Das Wachstum der nachfragenden Geldmenge, dem das Wachstum der realen Wirtschaft immer einen Schritt hinterhereilt, aber vom ersteren nicht abgehängt wird, beginnt diesem nun davonzulaufen. Da nun aber Geld aus Krediten, und damit aus dem »Kredit« in die Einhaltung von Schuldverträgen entspringt, ist einer übermäßigen Geldentwertung systemnotwendig entgegenzutreten, um einer Erosion des Geldsystems vorzubeugen und das ganze System nicht in sich zum Einsturz zu bringen. Wird nämlich das Vertrauen zu sehr enttäuscht, bricht das zusammen, was das ganze System trägt: der »Kredit«. Durch eine Geldentwertung bzw. Inflation wird vor allein das Verhalten der »Geldanleger« beeinflusst, da deren Erwartungskalkül von einer möglichst stabilen Bewertungsgrundlage ausgeht. Ungewisse zukünftige Preissteigerungen können das Anlegerverhalten in unterschiedliche Richtungen verändern und vor allem durch einen Nicht-Einstieg oder einen Ausstieg aus dem Haltung von »papierenen« Geld-Forderungen zugunsten des Haltens von realem Eigentum auch die realwirtschaftliche Entwicklung stark beeinflussen. Unter »Geldanlegern« sind dabei die Halter insbesondere von langfristigen Forderungen auf Geld zu verstehen, also von Personen, welche die Gläubigerseite in diesem Schuldner-Gläubigerverhältnissen (11) bilden.

Um somit eine einigermaßen vorausschaubare Entwicklung zu gewährleisten, ist es die Aufgabe der Notenbank als »Bank der Banken«, die Kreditentwicklung entsprechend zu steuern. Diese Steuerung ist ein kybernetischer Prozess, der einer dauernden Beobachtung der Preisindizes bedarf und aus konjunkturellen Gründen stets leicht auf die inflationäre Seite ausgerichtet ist. Während nämlich leicht inflationäre Tendenzen wachstumsfördernd wirken, gehen von einer Tendenz zur Deflation sehr rasch Signale aus, die zu einer Nachfragezurückhaltung, zu einem weiteren Verfall der Preise und einem Zusammenbruch der Konjunktur führen.
Die Steuerung der Kreditentwicklung richtet sich somit an keinem strengen Richtwert aus, sondern muss in einem Spielraum zwischen konjunktureller und inflationärer Entwicklung mit Fingerspitzengefühl erfolgen.
Wichtigstes Instrument zur Steuerung der Kreditentwicklung ist die Bindung der Kredite an die Mindestreserve, sowie die Diskont- und Offenmarktpolitik der Notenbank.
Die Geschäftsbanken können ja im Gegensatz zur Notenbank kein Geld in Form des Notenbankgeldes schöpfen, sondern nur Forderungen auf Notenbankgeld, wie Buchgeld, Spar- und Termineinlagen usw. Diese Forderungen sind aber gegebenenfalls auch zu erfüllen, d.h. in Notenbankgeld auszuzahlen, da nur dieses das öffentlich-rechtliche Schuldentilgungsmittel ist. Jede Bank muss dazu einen bestimmten Teil der Forderungen der Bankkunden auch in Bargeld halten. Diese Mindestreserve wird bindend von der Notenbank vorgeschrieben bzw. kann zur Steuerung des Kredit- und Geldvolumens herauf- bzw. herabgesetzt werden.
Dehnen sich nun aber die Kredite der Banken immer weiter aus, so wird schließlich irgendwann die durch den Mindestreserve-Anteil vorgegebene Grenze erreicht. Für weitere Kredite muss sich die Bank bei der Notenbank refinanzieren, um so zu mehr Bargeld zu kommen. Die Kosten dieser Refinanzierung werden durch die Höhe des Notenbank-Zinssatzes bestimmt.
Dieser Notenbank-Zinssatz bestimmt nun aber ganz generell das Zinsniveau am Geldmarkt und damit auch die Einlagenzinssätze. Wobei natürlich Unterschiede durch die Fristigkeiten der Einlagen entstehen. Keine Bank wird ja einen höheren Zins für eine Einlage zahlen als die dafür nötige Refinanzierung bei der Notenbank kostet. Andererseits wird aber die Konkurrenz der Banken untereinander um Einlagen keinen Zinssatz zulassen, der weit unter dem der Notenbank liegt.
Kredit und Geld bleibt auch damit ein homogenes Gut, dessen Preis jedoch vom marktbeherrschenden Anbieter bestimmt wird. Dieser marktbeherrschende Anbieter ist die Notenbank. Es wird nun aber auch erkennbar, dass in dem vorerst offenen Kreditsystem die Zurückhaltung von Geld, also dessen Nichtverwendung zu Einkäufen, ursächlich nicht den Zins erzeugen kann. Sie reduziert nur den Rückfluss des Geldes zu den Unternehmen (Cashflow) und damit deren Gewinne, aus dem heraus die weiteren laufenden Betriebskosten und Ersatzinvestitionen getätigt werden, so dass zusätzlich auf Kredite zurückgegriffen werden muss.
Solange die Unternehmen kreditfähig sind, bekommen sie diese Kredite auch. Auch dann, wenn das nicht ausgegebene und so zurückgehaltene Geld nicht in Form von Krediten zur Verfügung gestellt, sondern gehortet wird. Denn die Notenbank bietet ja auf jeden Fall Kredite an. Allerdings nur zu einem ganz bestimmten Preis, den die Notenbank bestimmt.
Anzumerken bleibt, dass die Zurückhaltung von Kaufkraft eo ipso auch solange keine Hortung ist, als sie in einer Zurückhaltung - oder Haltung - von Notenbankgeld besteht. Jede andere Form von Geld scheint ja nur in Gutbuchungen bei Banken auf, die, obgleich nicht für Käufe verwendet, doch nicht gehortet ist. Da es bereits Forderungen sind, können sie nur noch in Forderungen mit anderen Fristigkeiten umgewandelt werden. Desgleichen ist der Zins auch keine Entschädigung für den Verzicht auf Konsum durch Sparen zugunsten von Investitionen. Denn Sparen mindert eher die Investitionsfähigkeit als dass es Investitionen ermöglicht, weil diese dann nicht so sehr aus den Gewinnen heraus finanziert werden können, sondern in einem höheren Ausmaß Kredite aufzunehmen sind, die jetzt aber nicht allein vom Angebot der Notenbank abhängen.
Für die Banken ergibt sich damit aber nur scheinbar ein zusätzliches Geschäft. Brauchen nämlich die Unternehmer bereits zur Finanzierung der laufenden Aktivitäten Kredite, werden sie wegen der solcherart verschlechterten Geschäftserwartungen auf der anderen Seite neue und zusätzliche Investitionen zurücknehmen und dementsprechend weniger Kredite nachfragen.


Der Zins im Spannungsfeld von Notenbankpolitik und Bankenwettbewerb
Der Zins als Knappheitspreis

Mit der Festlegung des Notenbank-Zinssatzes übernimmt die Notenbank auch die Verantwortung für die Grobsteuerung des Wirtschaftswachstums. Da sich die Zinsen und der Gewinn den zukünftigen Mehrertrag teilen müssen, unterbleiben durch Heraufsetzung des Zinssatzes alle Investitionen, die einen zu kleinen Bruttoertrag und damit einen zu kleinen - als Restgröße verbleibenden - Gewinn versprechen.
Nun versorgt aber die Notenbank die Wirtschaft nicht grenzenlos zu diesem vorerst festgelegten Notenbank-Zinssatz mit Notenbankkrediten und mit Geld. Steigt die Nachfrage nach Geld zu einem bestimmten Zinssatz weiter an, so besteht seitens der Notenbank der Anlas, ihren Zinssatz weiter anzuheben. Mit dem von der Notenbank heraufgesetzten Preis von Krediten wird somit das bisher offene Kreditsystem zu einem halboffenen (oder halbgeschlossenen) System.
Kredite zu dem in einer bestimmten Höhe festgelegten Notenbank-Zinssatz und dem davon abhängigen Kreditzinssatz - und zu keinem höheren - sind somit in jedem Zeitabschnitt ein knappes (inhomogenes) Gut, auch wenn das Angebot hierfür im Laufe der Zeit ständig ausgewertet werden kann.

Auf der anderen Seite machen Geschäftsbanken die Kreditnehmer mit der Kreditvergabe zahlungsfähig. Das ist ihr Geschäft. Als Preis für diese »Bereitstellung von Geld« kann die Bank den Zins verlangen, der sich nun aus den Kosten für die Bankdienstleistung, einem Zuschlag für Gewinn und Risiko und einem Beitrag zusammensetzt, den wir als Kosten für die Einhaltung der Deckungsvorschriften oder als den Zins im eigentlichen Sinn bezeichnen wollen.
Nun haben wir aber auch festgelegt, dass Banken ihre Kreditnehmer nicht dadurch zahlungsfähig - liquid - machen, dass sie ihnen ihre Kredite in Notenbankgeld aushändigen, sondern ihnen ermöglichen, ihre Schulden durch Forderungen gegenüber der Bank zu begleichen. Die Bereitstellung von Notenbankgeld ist ja mit Kosten, den Notenbank-Zinsen, verbunden, die sich die Banken möglichst ersparen wollen.
Weiterhin ist die Vergabe von Krediten gesetzlich an die Haltung einer Mindestreserve in Notenbankgeld gebunden. Die Geschäftsbanken sind somit gehalten, entsprechende Reserven an Notenbankgeld zu halten.
Beide sind entscheidende Umstände für die Begründung und Höhe des Zinses.
Es sind nun aber nicht so sehr die Zahlungen, um die es geht. Vielmehr geht es um die Form des Haltens von Geld durch die Nichtbanken. Denn es sind die Banken, die bemüht sind, selbst möglichst viel Notenbankgeld zu einem bestimmten Preis und zu keinem höheren - als Mindestreserve halten zu können. Nun zahlen die Banken den durch den Notenbank-Zinssatz bestimmten Einlagenzins aber nicht allein auf Einlagen von Notenbankgeld, sondern auch auf Forderungen darauf. Dies aber nicht deshalb, weil hinter diesen Forderungen wiederum Kredite stecken, und damit auch wieder Notenbankgeld als Mindestreserve. Mit den gleichen Kosten könnte jede Bank günstiger einen Notenbankkredit aufnehmen und damit eine Aufstockung ihres Mindestreservenbestandes erreichen, was ihr ein Vielfaches an Kreditvergaben erlauben würde. (13)

Die Begründung für Einlagezinsen, die sich an der Höhe des Notenbank-Zinssatzes orientieren, ist vielmehr im Bemühen der Banken zu finden, die Geldbesitzer nicht nur vom Halten ihrer Ansprüche in Form von Notenbankgeld, sondern auch von kurzfristigen Forderungen auf Notenbankgeld abzuhalten und diese in längerfristige Veranlagungen umzuwandeln. So wie die Banken einen Einlagenzins für Notenbankgeld zahlen, der vom Notenbank-Zinssatz her bestimmt ist, so sind sie auch bei der Umwandlung von täglich fälligen in langfristige Forderungen genötigt, einen entsprechenden Zins zu zahlen, da dieser durch Barauszahlung und darauf folgende langfristige Veranlagung eventuell sogar bei einer anderen Bank - ja auch erzwungen werden kann. (14)
Die Zahlung und die Höhe von Einlagenzinsen ist nun in diesem Spannungsfeld zwischen dem Kampf der Geschäftsbanken untereinander um Einlagen einerseits und der Notenbank als Hüter der Währung andererseits zu sehen. Die einzelnen Geschäftsbanken treiben den Einlagenzins (unter Berücksichtigung aller Nebenkosten) bis an den Notenbankzins heran, um jede für sich möglichst viele Einlagen zu erhalten bzw. kurzfristig in längerfristige umzuwandeln, und vermehren damit das Kreditangebot. Sie sind dabei auch ständig auf der Suche nach technischen Innovationen, mit denen sie ihren Kreditspielraum erweitern können.
Diese Erhöhung des autonomen Kreditangebotes der Geschäftsbanken - autonom heißt dabei: ohne Erhöhung des Mindestreservenbestandes der jeweiligen Bank über die Notenbank - zwingt wiederum die Notenbank, darauf durch eine weitere Erhöhung ihres Zinssatzes und/oder der Mindestreserve zu reagieren, um so einer übermäßigen Kreditausweitung gegenzusteuern.
Das aber heißt auch, dass die Notenbank nicht vollkommen autonom handeln kann, sondern dazu auch durch das Kollektiv der Geschäftsbanken gezwungen wird. Dass also die Höhe des Zinses letztlich nicht allein und autonom von der Notenbank bestimmt wird, sondern auch vom gesamtheitlichen Verhalten der Geschäftsbanken, ausgerichtet auf das gleiche Ziel, woraus sich eine Art Kollektivmonopol der Geschäftsbanken ergibt. Dieses Kollektivmonopol entsteht so unabsichtlich aus der Absicht der Notenbank, eine Verknappung des Kreditangebotes zu erzwingen, um so eine Erosion des Geldsystems zu vermeiden, und der Intention der Geschäftsbanken, diese Verknappung immer wieder zu durchbrechen, wodurch der Preis für Kredite durch den Wettbewerb nicht herabkonkurriert wird, sondern vielmehr hinauf bis in den Bereich des Notenbank-Zinssatzes.
Dieser so entstehende Zinssatz bestimmt dann aber auch die Untergrenze der Gewinnrate, also den in Zukunft zu erwartenden Ertrag einer Sachanlage. Investitionen, die einen zu kleinen zukünftigen Ertrag versprechen, unterbleiben dadurch, so dass auch das Wachstum solcherart begrenzt wird.
Dieser Zins kann andererseits nur bezahlt werden, weil die Unternehmer durch das Wachstum der Wirtschaft einen monetären Mehrertrag verdienen können, der aus neugeschöpften Krediten finanziert wird. So ist die Kreditfinanzierung und damit die Versorgung mit zusätzlichem Geld die notwendige Voraussetzung für die Erhöhung der effektiven Nachfrage nach den bereits fertigen Waren am Markt, und damit die Voraussetzung für die Entstehung des Mehrertrages beim Unternehmer, so dass dieser nun in der Lage und auch bereit ist, einen Teil hiervon als Preis für die Bereitstellung von Geld zu zahlen




Anmerkungen

1 Vgl. dazu Spahn (1986), S. 166 bzw. S. 167ff: »Der Geldcharakter eines Zentralbankgeldes ergibt sich daraus, dass die Geldordnung dies als »letzte Forderung«, bestimmt, die nur durch sich selbst eingelöst werden kann. Spahn zitiert aber auch Schumpeter: »Auf einem Anspruch auf ein Pferd kann man nicht reiten, mit einem Anspruch auf Geld kann aber Zahlungen leisten.«
2 Vgl. dazu Samuelson (1975), S. 71 (Abb. 3.1), sowie Woll (1981), S. 60 (Fig. 2-2).
3 Binswanger (1991), S. 20.
4 Marx (1953), S. 330: »Die Frage ist nicht: Wo kommt der Mehrwert her. Sondern: Wo kommt das Geld her, um den Mehrwert zu versilbern?«
5 Der Einwand, dass der Neueinsteiger Geld ausborgen, sich also verschulden kann, nimmt bereits den ganz entscheidenden Sprung von der Tauschwirtschaft in die Verschuldungswirtschaft vorweg, dem wir dann weiter unten nachgehen werden.
6 Binswanger (1991), S. 115.
7 Vgl. Heinsohn/Steiger (1981), S. 168. Mit Bezug auf die Bauernkriege im 14. Jahrhundert in England schreiben Heinsohn und Steiger: »Hier haben wir eine historische Situation, in der Geld entsteht. Der Leibeigene, der freier Bauer werden wollte, aber nur freier Lohnarbeiter wurde und daher seine Lebensmittel nicht selbst herstellen kann, muss diese nun kaufen können. Der Adelige, der Grundbesitzer, aber nicht Feudalherr geblieben ist, muss dem nun dringend benötigten Landarbeiter eben diese Kauffähigkeit verbürgen. ... Das gelingt ihm dadurch, dass er für Ansprüche des Lohnarbeiters mit seinem Grundeigentum bürgt.«
8 Hier stellt sich allerdings die nicht unberechtigte Frage, warum die Unternehmen in ihrer Gesamtheit Gewinne, oder genauer gesagt, einen Mehrertrag, erhalten können, obwohl sie mehr ausgeben als sie einnehmen. Die ausführliche Antwort findet sich im Beitrag voll H. C. Binswanger in diesem Band.
9 Vgl. Heinsohn/Steiger (1981), S. 168: »Machte man große Mengen zuvor angesammelten (akkumulierten) Geldes zur Voraussetzung für eine kapitalistische Wirtschaft, dann bliebe unerklärlich, wie z. B. der antike Kapitalismus zustande gekommen wäre. Dieser erfand ja das Münzgeld, beginnt also als eine Epoche, der ... keine monetäre Akkumulation vorausgeht.«
10 Vgl. Estermann (1993), S. 22 ff.: Das TALENTE-System definiert sich als bargeldloses Tauchnetz«, das als Modell in Aarau (CH) versucht werden soll. »Mitglied eines Tauschnetzes können Privatpersonen und Organisationen werden. Im TALENTE-System stehen am Anfang alle Konten auf Null. Es gibt noch keine TALENTE. Als erster Akt bestimmt die Kreditkommission die Höhe der Kreditlimite auf allen Konten (der Mitglieder). Damit ist ein TALENTE-Schöpfungspotential gegeben. Die ersten TALENTE entstehen nun dadurch, dass ein Käufer A als Entgelt für ein verkauftes Gut einen bestimmten Betrag - sagen wir 100 Tt. - an den Käufer B überweist. Durch die Überweisung entsteht auf dem Konto A ein Minusbetrag von -100 Tt. und auf dem Konto B ein Plusbetrag von +100 Tt. TALENTE entstehen somit immer paarweise als Minus- und Plusbeträge. Vor allem aber ist wichtig, dass ihr Entstehen die Folge eines Austauschprozesses ist. Sie sind dem Handel nachgeordnet. ...Die Existenz von TALENTEN zeigt aber auch an, dass der Austausch unvollendet geblieben ist. ... Geben und Nehmen sind noch nicht in einem Einklang. Sobald sich die Rollen umkehren, kann der Tausch vollendet werden, und beide Konti stehen wieder auf Null.«
11 Vgl. Heinsohn/Steiger (1981), S. 169: »Wir haben ... gezeigt, dass auch das Geld der Antike nichts anderes darstellt als ein Mittel, die ... zustande gekommenen Gläubiger-Schuldner-Verhältnisse handhabbar zu machen.«
12 Dies bestätigt auch Herr: »Sie (die Zentralbank) hat die Macht, den Höchstzinssatz des Geldmarktes autonom festzusetzen. Ist sie bereit, die Geschäftsbanken grenzenlos per Kredit zu einem bestimmten Zinssatz mit Geld zu versorgen, so wird sich keine Geschäftsbank zu einem höheren Zinssatz Geld besorgen, sondern sich über die Zentralbank refinanzieren,.« (Herr [1986], S. 84 f.)
13 So ist etwa der Geldmultiplikator bei einem Mindestreservesatz von 10% gleich neun.
14 Vgl. Spahn (1986), S. 168: »Die außerordentliche Flexibilisierung und Erweiterung der Kreditmöglichkeiten durch die Verwendung von Giralgeld im Zahlungsverkehr enthebt die Banken deshalb nicht von der Notwendigkeit, ihren Liquiditätsstatus aufrechterhalten zu müssen, der durch tatsächliche Anforderungen von Zentralbankgeld gefährdet wird. Um liquide zu bleiben, ist das Kreditgeschäft durch eine - mit entsprechenden Zinskosten verbundene - Beschaffung von Zentralbankgeldeinlagen seitens der Nichtbanken abzusichern..«


Literaturverzeichnis

Binswanger, H. C. @1991): Geld & Natur. Das wirtschaftliche Wachstum im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie, Stuttgart.
Estermann, T. (1993): »Geldtheoretische Überlegungen zum TALENTE-Experiment von Aarau.« In: Alternative Geldmodelle, Aarau.
Heinsohn, G./ Steiger, 0. (1991): »Geld, Produktivitität und Unsicherheit im Kapitalismus und Sozialismus.« In: Leviathan, Heft 2, S. 164-194.
Herr, H. (1986): Geld, Kredit und ökonomische Dynamik in marktvermittelten Ökonomien – die Vision einer Geldwirtschaft, München
Marx, K. (1953): Das Kapital, Bd. II. Berlin
Samuelson, P.A..(1975): Volkswirtschaftslehre, Bd. 1, Köln
Spahn, H.-P. (1986): Stagnation in der Geldwirtschaft, Frankfurt/M.
Woll,
1981), Allgemeine Volkswirtschaftslehre, München

Geld ausgeben für das Sparen*



Ökologische Steuerreform
und
marktwirtschaftliche Dynamik


Ernst Dorfner

 
*„Die Schwierigkeit liegt nicht so sehr in den neuen Gedanken, als in der Befreiung von den alten, die sich bei allen, die so erzogen wurden (...) bis in die letzten Winkel ihrer Geistesart verzweigen.“

John M. Keynes,
Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, 1935, Vorwort

Dieses Zitat sei all denen zugeeignet, welche der Titel dieser Arbeit paradox erscheint. Sie mögen sich prüfen, wie sehr sie vom neoklassisch-monetaristischem Denken - auch als Nicht–Ökonomen - geprägt sind. Da in dieser Schule Geld keine (wesentliche Rolle) spielt, nur als ‚Schleier über den realen Vorgängen des Tausches’ (veil of barter) liegt, bleibt monetäres Sparen nur ein ziffernmäßiges Abbild des realen Sparens. Es ist zu hoffen, dass diesmal – im Gegensatz zu den 30-iger Jahren – die Befreiung von den alten Gedanken doch noch rechtzeitig greift





(...) wird schon seit langem die Idee der ‘Grenzen des Wachstums’ diskutiert und auch ein Null-Wachstum empfohlen. Aus der Analyse der ökonomischen Dynamik ergibt sich aber, dass ein Null-Wachstum -- d.h. Verzicht auf wachsende (Netto-) Investitionen (...) - nicht möglich ist. Die Alternative zum Wachstum ist nicht Stabilisierung (...), sondern Krise bzw. Schrumpfung. Wenn man dieses erkennt, stellt sich noch dringender die Frage, inwieweit unter Beibehaltung der Wachstumsdynamik durch Internalisierung externer Umweltkosten (...) eine Qualifizierung des Wachstums erfolgen kann.“ Hans Ch. Binswanger ,
‘Geld & Wachstum’, 1994, S.119ff


1.Von Kostenwahrheit wird im Zusammenhang mit der ökologischen Steuerreform gesprochen. Aber auch von ‚Steuern, die steuern’.
Doch was heißt ‚Kostenwahrheit’? Und was soll gesteuert werden? Der vermehrte Einsatz von Arbeit statt Energie[i]? Oder statt Kapital? Wobei der Energieeinsatz in der herrschenden Lehre als Kapitaleinsatz berücksichtigt wird und gerade nicht als Faktor ‚Natur’’[ii].
Oder geht es bei der ökologischen Steuerreform um die Umkehrung der Verdrängung von Menschen durch Maschinen, Geräten, also Realkapital?
Der populäre Slogan beschreibt eher diffus. Teilweise – so der Eindruck – wird sogar ein falcher, romantisierender Zugang vermittelt.[iii]

Die Schulwissenschaft redet allein von einem neuen Gleichgewicht[iv], das sich durch Veränderung der Preis-Parameter einstellt. Auswirkungen auf einzelne ökonomische Kenngrößen könnten demnach mathematisch ermittelt werden. Im Fall der Umweltgüter müssten dabei allerdings staatlicherseits Preise gesetzt werden, weil diese der Markt nicht oder nicht richtig hervorbringt. Die durch dieses Marktversagen entstehenden externen Kosten sind dann „nur“ zu internalisieren , damit alles wieder ins Lot kommt.

Wie hoch aber sind die wahren oder externen Kosten? In ausgefeilten Gutachten werden sie berechnet. Doch was im Endergebnis so exakt aussieht, bleibt letztendlich beliebig. Es hängt allein von der Auswahl bestimmter Eingangsparameter oder bestimmter Bewertungen ab.[v]
Die Sozialökonomie wird wohl in vielfacher Hinsicht mathematisiert, was der herrschenden neoklassisch-monetaristischen Schule den Anschein einer wertfreien exakten Wissenschaft verleiht. Diese Exaktheit trügt jedoch. Sie wird mit dem Außerachtlassen von – vor allem sozialpsychologischen – Effekten erkauft, die nicht mathematisierbar sind. Damit nabelt sich die herrschende Schule aber selbst vom sozialem Ganzen ab.[vi]
In der laufenden Diskussion geht es nur um die richtige Allokation der einzelnen Produktionsfaktoren. Dann würden die sich so ergebenden Preise der Produkte die tatsächlichen Knappheiten beschreiben, unabhängig davon, ob es sich um Konsum- oder Investitionsgüter handelt. Weiteres kann dann dem Markt überlassen bleiben, der alles „als pfiffige technische Einrichtung zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügt.“[vii].

Die Bemühungen um eine richtigere Allokation sind nun sicherlich unbedingt zu betreiben. Doch allein damit wird die anstehende Problematik nicht zu lösen sein. Es wird ja nicht gefragt, was diese unsere Wirtschaft überhaupt antreibt, wodurch die Fülle an Produkten zustande kommt. Sie ist ja nicht einfach da, so wie Geld nicht einfach da ist.

Dabei scheint entscheidend, dass die Rolle der Investitionen in unserem Wirtschaftssystem falsch oder zumindest unzureichend gesehen wird.[viii]. Es wird zwar kundgetan, dass die Investitionen notwendig sind für den technischen Fortschritt. Um aber investieren zu können, müsse gespart anstatt konsumiert werden. Demnach wäre der Zins auch die Belohnung für das Sparen oder die Enthaltsamkeit. Wird zuwenig investiert, weil zuwenig gespart wird, wäre eben der Zinssatz zu niedrig.[ix]
Wird dagegen nicht gespart, weil alles verkonsumiert wird, gibt es somit keinen technischen Fortschritt. Es sind dann allein der Mangel des Zurückbleibens in der Produktivität und damit in der Wettbewerbsfähigkeit, der die entscheidende Auswirkung des Nichtssparens und der Nichtinvestition ist.
Wenn dann noch die Meinung im Raum schwebt, dass der technische Fortschritt eher schon schädlich ist – weil er menschliche Arbeit verdrängt und die Umwelt noch mehr belastet -, dann scheint es nicht nur gerechtfertigt, sondern unter diesen Umständen prozesshaft auch möglich, dieses Geld nicht zu sparen, sondern über Steuern in Form von Sozialtransfer auszugeben.

Dabei wird nun aber nicht gesehen, dass die Investitionen, --oder genauer gesagt-- die Netto-Investitionen[x]--, die Dynamik und damit die Systemerhaltung des marktwirtschaftlichen Systems bestimmen.

Es geht somit nicht um die Frage, verstärkt wieder den Menschen statt Kapital einzusetzen.

Es geht vielmehr um den Einsatz von Kapital in eine neue Richtung, wodurch nicht mehr die menschliche Arbeitskraft, sondern der Verbrauch von Natur rationalisiert wird.

So wird die Dynamik der (Netto)-Investitionen die Voraussetzung, damit die Statik der Änderung der steuerlichen Belastung überhaupt wirken kann. Erst dort, wo sich etwas bewegt, kann ja eine Richtungsänderung bewirkt werden
. Zum Vergleich: Auch der ‘Schwung’ im Alpinschifahren setzt sich aus der statischen Belastungsänderung vom Berg- auf den Tal-Ski und der Dynamik der Talfahrt und der daraus resultierenden Kraft zusammen. Der Schwung ist die Voraussetzung für den ‚Schwung’. Steuerung gelingt nur in der Bewegung.


2.
Die Dynamik der Wirtschaft ist vom Wirtschaftswachstum geprägt.

Diese apodiktische Behauptung ist zu begründen, soll nicht der Eindruck entstehen, es würde nur diesem Wachstum das Wort geredet.
Es werden folglich nicht die Grenzen des Wachstums, wie sie etwa der ‘Club of Rome’ nachweist, angezweifelt oder abgetan. Sie werden sehr bewusst gesehen. Und sie sind auch letztlich der Anlass dieser Untersuchung. Doch geht es in dieser hier laufenden Auseinandersetzung bewusst nicht darum, unser Wirtschaftssystem durch ein anderes zu ersetzen. Wer von ökologischer Steuerreform spricht, akzeptiert grundsätzlich - zumindest aus pragmatischer Sicht - dieses marktwirtschaftliche System.
Somit geht es nur um eine Reform. Reform setzt aber die Kenntnis der Eigengesetzlichkeit voraus, die zeigt, welche Teile des Systems konstitutiv sind und welche verändert werden können.

Nach der Dynamik der Marktwirtschaft und ihrer Eigengesetzlichkeit wird nun aber von der gängigen ökonomischen Wissenschaft überhaupt nicht gefragt und damit diese auch nicht beschrieben. So fehlt dieser Zugang auch in der Frage der ökologischen Steuerreform.[xi]

Dieser Mangel hat nun dazu geführt, dass politisch das Wirtschaftswachstum meist als ‘Dogma’ oder als ‘Fetisch’ stilisiert wird. Da es also etwas nicht systemnotwendiges und verzichtbares ist, kann es in der Reformuntersuchung nicht nur außer Acht gelassen werden. Vielmehr resultiert daraus sogar eine Politik, die alles Mögliche unternimmt, um diesen Fetisch von der Wand zu reißen. Widerstand gegen Wachstum wird ausgeübt, weil es mehr als unnotwendig betrachtet wird. Und wer es noch als notwendig zu begründen versucht, tut dies güterwirtschaftlich, also wegen der Befriedigung des bestehenden Bedarfes.

Die systemtheoretische Begründung aber fehlt.

Diese politische Praxis des Widerstandes wird am heftigsten von denen ausgeübt, die angetreten sind, grundsätzliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Alternativen anzubieten. Makaber ist nun aber, wie sehr sie doch wieder Gefangene des Etablierten, nämlich ihrer eigenen Ausbildung gerade im ökonomischen Bereich sind.
Auch sie sehen nicht über den neoklassischen gleichgewichtstheoretischen Tellerrand hinaus und kommen damit - so wie ich meine - zu fatalen ökonomischen und politischen (Kurz-) Schlüssen.

Bei der Ermittlung der wahren Kosten wird nach diesem neoklassischen Ansatz davon ausgegangen, dass Geld aus einem vorhandenen Geldbestand (stock of money)[xii] heraus nur einmal ausgegeben werden kann. Wenn somit Geld für etwas ausgegeben wird, das zum Abbau von Natur, Gesundheit, Ruhe usw. führt bzw. zum Reparatur dieses Abbaues notwendig ist, dann wird zugleich unterstellt, wir würden damit auch monetär ärmer. Ressourcenökonomisches Sparen bilde sich demnach auch über monetäres Sparen ab. Oder genauer: Um mit einem vorhandenen Geldbestand ressourcen-ökonomisch möglichst viel zu erreichen, müssen die für bestimmte Vorhaben getätigten montären Ausgaben möglicht niedrig sein. Nur so könne umgekehrt mit dem vorhandenen Geld möglichst viel erreicht werden.[xiii]

Die Bemühungen mit der Kostenwahrheit einen neuen Bewertungsmaßstab zu schaffen, führen so nicht dazu, möglichst viele und hohe Investitionen hervorzubringen, sondern vielmehr, viele Investitionen überhaupt einzusparen bzw. zu verhindern. Dabei wird dann oftmals auch nicht mit dem geforderten neuen Maßstab gemessen, sondern mit dem alten, weil sich so bestimmte Projekte eher als unwirtschaftlich hinstellen lassen.


3.„Erst durch ein Wachstum des Produktionsprozesses entsteht in der modernen Wirtschaft die Möglichkeit, dass die Erträge der Firmen größer werden als die Kosten, dass also Gewinne gemacht werden können. [xiv]

H. Ch. Binswanger beschreibt das Wirtschaftswachstum als Zwang in einer von Privaten organisierten Wirtschaft, deren Antrieb der einzelwirtschaftliche Gewinn ist.[xv] Da die Wirtschaft jedoch auf Dauer kein monetäres Nullsummenspiel sein kann, bei dem die Gewinne der einen mit den Verlusten der anderen zu Null saldieren, sondern grosso modo alle einen Gewinn machen (müssen), muss sie monetär wachsen[xvi].

Diese simple und eigentlich selbstverständliche Antwort wird in der gängigen Lehre nicht gegeben, weil die Frage gar nicht gestellt wird, wie es denn möglich ist, dass die Produkte insgesamt zu Preisen verkauft werden können, die in Summe um den Bruttogewinn höher sind als die Herstellkosten.
Gewinn ist ja für die Neoklassik lediglich eine Frage der Allokation und nicht des Wachstums.[xvii]

Diesem monetären Wachstum muss aber auf der güterwirtschaftlichen Seite ein realer Anspruch gegenüberstehen, soll das Ganze nicht eine Schimäre sein, d.h. in inflationäre Geldentwertung ausarten. Daraus resultiert somit das reale Wachstum.

Sowohl monetäres als auch größtenteils reales Wachstum kommen aber nur durch (Netto)-Investitionen zustande, die gerade nicht aus Ersparnissen finanziert werden.

Dieses Ausmaß an (Netto)-Investitionen und des dafür zusätzlich und ausgegebenen Geldes bestimmt damit die Höhe der gesamtvolkswirtschaftlichen Gewinnrate und letztlich damit die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung, wie sie M. Kalecki bereits Mitte der 30-iger Jahre beschrieben hat[xviii].
Wenn es aber ohne Wachstum auf Dauer keine Gewinne gibt, dann gibt es auch keine Veranlassung für die Unternehmer, überhaupt zu investieren. Es gehen somit auch die Ersatzinvestitionen zurück. Die Wirtschaft schrumpft. Dies ist so neu nicht. Doch vergessen scheint, was Keynes mit ‘dem Graben von Löchern’ und der daraus entstehenden zusätzlichen monetären Nachfrage metaphorisch zusammenfasste[xix].
Geradezu unfassbar aber ist, wie verstärkt wiederum Gedankengut ausgegraben wird, das in den frühen 30-iger Jahren in Deutschland zu 6 Millionen Arbeitsloser führte und erst den Weg für einen Adolf Hitler und die bis 1928 bedeutungslose Nazi-Partei ebnete. [xx]

So wird immer wieder davon geredet, dass, wenn Geld in ein bestimmtes Projekt investiert wird, es dann wo anders fehlt. Diese ‘Spartheorie’ ist typisch der neoklassisch-monetaristischen Theorie vom (monetären) Sparen als Voraussetzung der Investitionsmöglichkeit geschuldet.[xxi] Sie verkennt ganz und gar, wie Geld entsteht und was Geld überhaupt ist.[xxii] Sie verkennt damit in weiterer Folge den Unterschied zwischen dem Verhalten eines Haushaltes – auch des staatlichen – und dem Verhalten der Unternehmer als Kollektiv. [xxiii]
Es kann deshalb auch nicht Aufgabe der Politik sein, Unternehmen von Investitionen abzuhalten, weil sie vermeintlich zu teuer sind,
Solche Äußerungen weisen darauf hin, dass die Komplexität unserer Wirtschaft nicht nur von der Theorie her, sondern auch im allgemeinen Verständnis zu niedrig eingestuft wird. Da die Theorie mit Wachstum nichts anzufangen weiß, kann sie auch die Folgen eines mangelnden Wachstums nicht begründen.[xxiv] Doch nicht nur die Analysen von Binswanger zeigen, dass Wachstum nicht nur zur Zielerreichung, zur Befriedigung des Bedarfs (was immer darunter verstanden wird) benötigt wird.

Mit dem Take-off zur Geldökonomie hat die Wirtschaft einen Komplexitätsgrad erreicht, der Wachstum und damit auch (Netto)-Investitionen nicht nur zur Zielerreichung, sondern auch zur Systemerhaltung braucht.

Um es wiederum in einem Vergleich plastischer zu machen: Das Flugzeug hat den Zielort schon erreicht, bereits unter sich, kann aber aus irgendeinem Grund nicht landen. Es fliegt Warteschleifen.
Niemand käme dabei auf die Idee, nun die Triebwerke abzustellen, um Treibstoff zu sparen. Denn wir wissen: Sobald das Ding nach dem Take-off ein ‘Flug’zeug in der Luft ist und nicht mehr ein ‘Fahr’zeug oder ‘Steh’zeug am Boden, braucht es weiterhin Geschwindigkeit zur Erzielung von aerodynamischen Auftrieb. Es braucht also ausreichend Geschwindigkeit nicht nur zur Zielerreichung, sondern auch zur Systemerhaltung. Sein Komplexitätsgrad ist höher als der eines Luftschiffes, das vom aerostatischen Auftrieb getragen wird und diesen nicht erst durch Bewegung schaffen muss.

Wie sehr nun aber der Komplexitätsgrad unserer Wirtschaft unterschätzt wird, geht auch aus all den Nachhaltigkeitskonzepten hervor, wie sie in den letzten Jahren zu Hauf entstanden sind. Diese Konzepte sehen immer nur die reale Seite unserer Wirtschaft, die sich in monetären Größen abbildet. Dass das Geld jedoch eine eigenständige Rolle spielt, nicht neutral ist, vermögen die Verfasser nicht zu erkennen oder zumindest nicht zu berücksichtigen.[xxv] Die Funktion der (Netto)-Investitionen – und deren Abschreibung – zur Systemerhaltung bleibt außer Betracht.[xxvi]

Dieser Mangel, die Wirkungzusammenhänge zwischen realer und monetärere Seite zu berücksichtigen, lässt diese Konzepte sehr mechanistisch und aufgesetzt erscheinen. Sie organisieren sich nicht selbst. Nicht so sehr, weil die Menschen unwillens sind, sparsamer und nachhaltiger mit den Gütern umzugehen. Vielmehr wird es an den Funktionsbedingungen des Geldes liegen, die nicht berücksichtigt werden. Gelingt es nicht, diese in die Nachhaltigkeitskonzepte einzubauen, werden diese auch nicht umsetzbar sein.


4.„‘Die List der Vernunft’ (Hegel), die im geldwirtswirtschaftlichen System wirkt, besteht nun darin, dass sich die Produzenten durch Aufnahme von Krediten aus neugeschöpftem Geld gleichzeitig die Nachfrage schaffen, die nötig ist, damit sie ihre (bereits fertigen E.D) Waren mit Gewinn absetzen können.“ So H.Ch. Binswanger[xxvii]

Mit anderen Worten: Unsere Wirtschaft bringt in einen simultanen Prozess nicht nur Güter und Dienstleistungen hervor, sondern auch das Geld, mit dem wir diese kaufen.
Unternehmer müssen sich verschulden, um produzieren zu können. Aus dieser Verschuldung, d.h. aus einem privatrechtlichen Vertrag, geht das Geld hervor, über das nicht nur unsere Wirtschaft, sondern vielmehr unsere ganze hochkomplexe Gesellschaft so überaus effizient organisiert ist[xxviii] - aus Gewöhnung vermögen wir das allerdings nur erahnen - so dass uns ein Ausstieg aus diesem System undenkbar erscheint.

Geld entsteht aus Kredit und Verschuldung, ist die Institutionalisierung von Vertrauen, wenngleich viele neoklassische Ökonomen dies nicht so zu sehen vermögen und Geld für sie zu aller erst nur Tauschmittel - also ein Ding - ist.
Der Kredit ist das Produkt der Kreditinstitute, das den generellen Zustand des Misstrauens zwischen den Menschen mit zum Dokument gewordenem Vertrauen überdeckt. Geld bringt Vertrauen in die Gesellschaft. Dieses Vertrauen muss sich jedoch in Form der Kaufkraft des Geldes ständig bestätigen[xxix].
Geld als Ausfluss der logistischen Sozialfunktion ‘Kredit’ macht so die persönliche Sicherheit, Bequemlichkeit, Mobilität und Entscheidungsfreiheit des modernen Menschen und die Rationalität und den hohen Organisationsgrad der modernen Gesellschaft und Wirtschaft erst möglich.[xxx] Das Prinzip der Selbstverstärkung, wie es Hans Jonas[xxxi] - allerdings für die materielle Seite unsere Wirtschaft beschreibt, nicht aber für die monetäre -, wirkt auch hier. Ohne die Logistik des Kreditsystems hätte sich, so meine ich, die – trotz aller heute vorgebrachten kritischen Einwände – hocheffizient produzierende Seite unserer Wirtschaft nicht so entwickeln können.
Es steht daher außer Frage, dass eine Gesellschaft und Wirtschaft ohne Geld keine gesellschaftliche Akzeptanz finden würden. Zu sehr sind wir alle auf Geld fixiert.

Dieser Kredit macht es damit aber auch möglich, dass Natur immer stärker wirtschaftlich usurpiert und verwertet werden kann. „Natur wird in Geld verwandelt.“[xxxii]

Geld aber bringt die Wirtschaft nur hervor, wenn sie ausreichend wächst. Verschuldung bedeutet ja das ‘Auf das Spiel setzen’ von Eigentum, von Vermögen. Es ist das Pfand, das Vertrauen schafft.
Niemand aber setzt sein bereits Erworbenes auf das Spiel, wenn er/sie dabei nicht auf ein Mehr, einen Mehrertrag zur Mehrung seines/ihres Vermögens, das sich in Geld ausdrückt, hoffen kann.
In Gesamtheit funktioniert das aber nur deshalb, weil und so lange sich grosso modo für alle Unternehmer ein Mehrertrag ergibt.
Die Wirtschaft ist damit aber kein Nullsummenspiel mehr.

Das Wachstum der monetären Nachfrage kommt nun idealtypisch über die Netto-Investitionen der Unternehmer zustande[xxxiii]. Über dieses Mehr an dafür notwendigen Krediten entsteht jenes Geld, das es überhaupt erst möglich macht, dass die Produkte der Vorperiode heute mit einem Gewinnzuschlag verkauft werden können[xxxiv].
Im historischen Zusammenhang ist in Summe (nahezu) sämtliches Geld so entstanden ist. [xxxv]

So wie der Flugzeugkapitän sein hochkomplexes System ‘Flugzeug’ nicht erhalten kann, ohne weiter zu fliegen, so können wir somit unser hochkomplexes System ‘Wirtschaft’ nicht erhalten, ohne weiter zu investieren. Natürlich müssen wir all das immer wieder bezahlen, was wir investieren. Aber nur dann und nur solange entsteht überhaupt Geld, damit wir überhaupt bezahlen können. Im anderen Fall kommt es so wie beim Flugzeug zum Absturz und Zusammenbruch des Systems, hier des Geldsystems. Womit das monetäre Sparen überhaupt seinen Referenzrahmen verlieren würde.

Mit der ökologischen Steuerreform ist somit viel mehr als nur die Korrektur der Marktallokation zur besseren Berücksichtigung und Bewertung der Umweltgüter angesprochen.
Es geht um den Erhalt, um die Rettung unseres Wirtschaftssystems insgesamt, in dem Netto-Investitionen immer weiter notwendig sind.

Erweiterungsinvestitionen als auch Rationalisierungsinvestitionen in Richtung ‘Arbeit’ können jedoch neben dem anstehenden sozialen und ökologischen auch das anstehende ökonomische Dilemma nicht mildern oder gar beseitigen, sondern nur verschlimmern.
Als einziger Ausweg scheint deshalb die Ökologisierung des Steuersystems gangbar, das Anreize in Richtung einer stärkeren (Weg)-Rationalisierung des Energie- und Umweltverbrauches schaffen soll.

Es mag deshalb paradox klingen, ist es aber in der Tat nicht:
Die Unternehmer müssen für das Sparen an Umweltverbrauch möglichst viel Geld ausgeben.

Dieses Geld, dass das Einkommen der Privaten und des Staates bildet, muss allerdings auch wieder für die damit erzeugten Produkte ausgegeben werden, Es kann aber auch nur dann ausgegeben werden, wenn es vorher die Unternehmer ausgeben. Sparen sie an diesen Ausgaben, dann fehlt überhaupt das Einkommen, das sparsam ausgegeben werden kann.


5.Das Ziel einer ökologischen Steuerreform ist die Reduzierung der Arbeitskosten und die Erhöhung der Kosten von Energie und Umweltverbrauch, nicht um so vermehrt auf direktem Wege Arbeit statt Energie und Umweltverbrauch einzusetzen, sondern um damit die laufenden Investitionen in ausreichend hohem Ausmaß in Richtung (Weg)-Rationalisierung von Energie- und Umweltverbrauch statt in (Weg)-Rationalisierung von Arbeit und in Erweiterungsinvestitionen zu leiten. Mit anderen Worten: Es geht nicht darum, die Baugrube statt mit einem Bagger mit viel Arbeitern mit Schaufel und Scheibtruhe auszuheben, sondern einen energieeffizienteren, leiseren und reparaturfreundlicheren Bagger zu entwickeln, zu bauen und den ‘alten’ damit zu ersetzen. Hier finden die Menschen Arbeit und nicht beim Ausheben der Baugrube.

Insofern trifft es auch nicht das Wesen unserer Wirtschaft, wenn einfach verglichen wird, bei welchem Vorhaben mit dem gleichen Geldaufwand mehr oder weniger Arbeitskräfte beschäftigt werden[xxxvi].

Hier gilt es zu erkennen, dass (Netto)-Investitions[xxxvii]- nicht durch Konsumausgaben - auch die des Staates - ersetzt werden können. Höhere kreditfinanzierte Konsumausgaben[xxxviii] führen zwar heute gleichfalls zu einer höheren Nachfrage, auf Dauer aber nicht zu einem Wirtschaftswachstum, sondern nur zu inflationären Preisauftrieben, (Netto)-Investitionen dagegen heute gleichfalls zu einer höheren Nachfrage, der aber morgen auch ein – je nachdem – quantitativ höheres oder qualitativ höheres - Warenangebot auf dem Fuße folgt. So wird heute bei quantitativem Wachstum Inflation immer wieder durch eine wachsende Warenmenge weitgehend abgefangen. Und würde morgen bei qualitativem Wachstum der höhere Preis auch eine höhere Qualität im Sinne der Nachhaltigkeit anzeigen.
Weiter geht es aber auch darum, dass sämtliches vorhandene Geldeinkommen von den privaten und staatlichen Konsumenten verkonsumiert wird und so zu den Unternehmern wieder zurückfließt, die dieses und neugeschöpftes Geld wieder investieren[xxxix]. Nur so kommen (Netto)-Investitionen zustande und wird ein gesamtvolkswirtschaftlicher Gewinn möglich[xl].

Diese sehr wichtige Erkenntnis bleibt bei einer neoklassischen Betrachtung völlig verborgen. Hier ist es gleichgültig, wofür Geld ausgegeben wird. Es ist sogar so, dass Geld, für privaten oder öffentlichen Konsum ausgegeben anstatt gespart, auch nicht investiert werden muss.

Nicht Unterbindung von Wachstum, sondern um die Qualifizierung des Wachstums ist also die Antwort.

Nachdrücklich sei auch darauf verwiesen, dass exponentielles Wirtschaftswachstum sich in einem von Wirtschaftsperiode zu Wirtschaftsperiode ansteigenden Ausmaß von Netto-Investitionen ausdrückt[xli]. So ergibt sich daraus eine Wirtschaftsspirale statt einem Wirtschaftskreislauf.[xlii]

Ein ausreichendes Ausmaß an Netto-Investitionen zur Aufrechterhaltung unseres Wirtschaftssystems ist somit unbedingt notwendig. Sie sind das ‘Um und Auf’ unseres Wirtschaftssystems, das durch Private getragen wird. Dabei sind es die Unternehmen, die idealtypisch diese Investitionen ständig immer weiter zu unternehmen müssen. Hierzu aber müssen sie Kredite aufnehmen, sich verschulden.[xliii]
In der Folge stehen die Unternehmen aber immer wieder vor der Frage, ob die mit diesen Krediten hergestellten Erzeugnisse am Markt auch verkaufbar sind, um so ihre Schulden wieder los zu werden. Nur wenn das so weiter funktioniert --und nur dann-- kann auch der Staat über diesen Prozess ausreichend alimentiert. Und nur dann kann er in der Wirtschaft punktuell – und nur punktuell - hier helfend einspringen.
Hier allerdings kommt die Frage auf uns zu, ob dieser Investitions-Gewinn-Mechanismus weiter auch unter der Bedingung der Qualifizierung – oder genauer gesagt, unter der Bedingung einer Entmaterialisierung des Wachstums – funktionieren kann.[xliv] Ob dies alles mit entmaterialisierten Dienstleistungen verwirklicht werden kann. [xlv]

Diese auf Sicht sehr entscheidende Frage müssen wir aber vorerst unbeantwortet lassen.

Keinesfalls kann der Staat neben und stellvertretend für die Wirtschaft hier etwas unternehmen. Mit dem Schrumpfen der Wirtschaft gehen auch dessen Einnahmen zurück --und damit dessen Handlungsfähigkeit, wie dato zu bemerken ist.

Hier allerdings scheint auch die noch auf uns zukommende Frage zu liegen, ob dieses wirklich auch unter der Bedingung einer Qualifizierung - oder genauer gesagt - unter der Bedingung einer Entmaterialisierung des Wachstums möglich wird. Ob dies alles mit entmaterialisierten Dienstleistungen verwirklicht werden kann.

Wenn wir aber Investitionen unbedingt brauchen, dann gilt es festzuhalten, dass sowohl Erweiterungsinvestitionen als auch Rationalisierungsinvestitionen in Richtung ‘Arbeit’ das anstehende soziale und ökologische Dilemma nicht mildern, sondern nur verschlimmern können.
Als einziger Ausweg scheint deshalb die Ökologisierung des Steuersystems gangbar, das Anreize in Richtung einer stärkeren (Weg)-Rationalisierung des Energie- und Umweltverbrauches schaffen soll, aber als wichtigste Voraussetzung eine funktionierende Wirtschaft hat, deren Voraussetzung aber ein gesellschaftlich-ökonomisches Klima ist, welches die Unternehmer zur Investition auch einlädt und nicht abhält.



6.Es geht um die Lenkung von Investitionen in eine zukunftsverträgliche Richtung. Somit geht es nicht um Nicht-Investitionen, sondern um Investitionen. Dies sei deutlich herausgestellt.
Demnach geht es auch darum, ein positives gesellschaftliche Klima für Investitionen zu schaffen, die allerdings in die richtige Richtung gegen müssen. Dahingehend ist politische Überzeugungsarbeit zu leisten.
Kontraproduktiv ist es deshalb , immer nur von der Profitgier der Unternehmer zu reden. Diese Meinung verkennt, wie wir alle in diesem System, das eben dieses Erwerbsstreben instrumentalisiert hat[xlvi], integriert sind und kein anderes wollen. Darum haben wir uns für eine Reform entschlossen – und nur um eine Reform geht es hier.

So sehr es deshalb richtig ist, darauf zu achten, dass wir uns den ‘ökologischen Ast’, auf den wir sitzen, nicht absägen,, so sehr gilt dies auch für den ‘ökonomischen Ast’. Es sollte trotz allem bewusst sein, dass unsere offene demokratische Gesellschaft und ihre Konfliktschlichtungsmechanismen auch von diesem ‘Kreditsystem’ getragen sind.
Dieses Kreditsystem kann – so meine ich - deshalb auch nicht demokratisiert werden, weil es erst die Voraussetzung für ein demokratisches System schafft: Die unabhängige Einzelperson. Diese ist nur in diesem System möglich, weil sie durch dessen Strukturen - und nicht durch Menschen - objektiv diszipliniert wird[xlvii]. Anderen Systemen gelingt dies immer nur durch subjektive staatliche oder religiöse Repression.

Mit einem Zusammenbruch dieses Kreditsystems würde aber auch die offene Gesellschaft noch weiter auseinanderbrechen, als sie es derzeit schon ist. Weil eben das Geldsystem viele traditionelle Sozialstrukturen mit entsprechenden Verpflichtungsmustern, wie etwa die Familie, die Dorfgemeinschaft, die einfach gelernte Hilfsbereitschaft – scheinbar - nicht mehr braucht, verlernen wir auch zunehmend, mit diesen umzugehen. So fielen wir nach einem Zusammenbruch des Kreditsystems nicht auf diese Sozialstrukturen zurück, sondern ins Leere, in der, so ist zu fürchten, sich vor allem faschistisch-autoritäre Gewaltstrukturen durchsetzen würden.

Einziger alternativer Ausweg scheint dagegen, jene Alternativen verstärkt aufzugreifen, die ursprünglich von der Alternativbewegung konzipiert wurden und verstärkt auf informelle, nicht in Geld entlohnte Arbeit zurückgreifen.[xlviii]

Wenn wir diese Alternativen im Vergleich aber zu mühsam abtun, heißt das, uns der Aufgabe zu stellen, uns mit dem vorhandenen System zu arrangieren und jene Investitionen auszuwählen, die wir als ‘ökologisch verträglich’ ansprechen können. Dass es bei dieser Auswahl vielfach sehr kontrovers zugehen wird, ist verständlich. Doch gerade das sollte die politische Aufgabe sein: Offene und nicht von vorneherein ideologisierte Gespräche zu führen. Und mehrheitliche Entscheidungen anzuerkennen, die immer im ‘Gaubereich’ liegen werden.


Es ist jedoch illusorisch, auf einen Mechanismus zu hoffen, der von sich aus alles zum Besseren wendet und dabei den Menschen außer Obligo lässt. Aber auch die ökologische Steuerreform wird dies nicht leisten, da auch damit zu grob gehobelt wird.

Hansjörg Herr[xlix] hat das mit Worten beschrieben, die just jetzt einen sehr aktuellen Bezug haben: „Die Ökonomie kann sowenig wie die Gesellschaft insgesamt technokratisch gesteuert werden. (...) Dem entspricht die banale Tatsache, dass eine Gesellschaft nicht von oben reguliert werden kann, wenn die Masse der Individuen ein anderes Interesse verfolgt oder sich entzieht. Eine Gesellschaft, die nicht in der Lage ist, einen halbwegs breiten Konsens herauszubilden - der Konsens kann dabei über diktatorische oder gar faschistische Regime (!! E.D) hergestellt werden[l] (...) -, bewegt sich in eine politische Blockade, die dann zwingend auch die Ökonomie lähmen muss.“
In einer Fußnote ergänzt er dann unter Bezugnahme auf das ‘Wirtschaftswunder’ nach dem 2. Weltkrieg:
„Die stofflich technologische Entwicklung war unumstritten, es gab einen breiten Klassenkompromiss, (...). Ein Teil der gegenwärtigen Krise ist auch dem Auseinanderbrechen dieser für die Ökonomie positiven Faktoren geschuldet. Derzeit ist sowohl die technologische Entwicklung, der beste Weg zur Verhinderung der Umweltkatastrophe, die Art der Regelung der internationalen Beziehungen, (...) umstritten“ .

Diese Aussagen sind doppelt zu unterstreichen. Es kann nur fatal sein, wenn politisch einerseits für systemkonforme Reformen vehement gekämpft wird, andererseits gegen konstitutive Bestandteile des Systems genauso vehement angerannt wird. Um es konkret auszudrücken:
Wer für eine ökologische Steuerreform ist, muss auch für das Wachstum der Wirtschaft sein, das mit dieser Reform in die richtige Richtung gelenkt werden soll.

Einen breiten Makrokonsens hierfür herzustellen, scheint eine der wichtigsten politischen Aufgaben.


7.
Dies ist jedoch nur eine Seite, die auf das Investitionsklima einwirkt.

Da die Rationalität unseres Wirtschaftssystems letztlich auf Geldvermehrung ausgerichtet ist, kommt es sehr auf das Zins-Wachstumsdifferential an, wo von den Unternehmern investiert wird. Stephan Schulmeister [li] hat sich damit empirisch auseinandergesetzt und gezeigt, dass bei einem positiven Zins-Wachstumsdifferential, wie es seit Anfang der 80-iger Jahren in den maßgebenden Industriestaaten vorherrschend ist, die Unternehmen wenig Bereitschaft zu Realinvestitionen zeigen. Sie investieren vielmehr in ertragreichere Finanzanlagen, womit der Staat als der einzige Netto-Schuldner übrig bleibt, der den Haushalten und dem Unternehmenssektor als Netto-Gläubiger gegenübersteht. Dieser kommt damit in eine immer größer werdende Bedrängnis[lii], wenn er das Budget nach Abzug des Zinsendienstes (Primärbilanz) weiterhin in ein Defizit mündet. Die Verschuldung steigt dann stärker als das Sozialprodukt, so dass die Ausgaben-Einnahmenschere immer weiter aufgeht.
Schulmeister plädiert deshalb für „eine deutliche und nachhaltige Zinssenkung, womit die „Budgetkonsolidierung am wirksamsten erleichtert würde“[liii]. Und zwar auf doppelte Weise: Einmal durch Reduzierung des Zinsenaufwandes für die bereits angehäuften Schulden, zum zweiten durch die erhöhte Bereitschaft der Unternehmer, wieder mehr in Realinvestitionen zu veranlagen. Damit würden sowohl die Einnahmen des Staates steigen als auch die Sozialtransfers für Arbeitslose reduziert.

Deutlich stellt er auch heraus, dass „der Zusammenhang zwischen den von den Notenbanken gesteuerte Diskontsatz und der Anleihe- und Kreditzinsen überaus eng“ ist[liv]. Daraus leitet er ab, dass die Notenbanken Preissetzer und nicht Preisnehmer am Geldmarkt sind[lv]. Die Höhe des Zinses ist damit grundsätzlich gestaltbar und nicht ein durch einen anonymen Marktmechanismus bestimmtes Datum. Allerdings bedarf es dazu einer einheitlichen Politik der verschiedenen Nationalstaaten, damit die Bemühungen eines einzelnen Staates nicht unterlaufen werden.

Von großer Bedeutung ist im Zusammenhang mit einer ökologischen Steuerreform und der damit bezweckten Senkung der Lohnkosten aber auch der Nachweis von Schulmeister, dass die Einkommens- und Finanzposition der Unternehmen von der Entwicklung der Zinsen in höherem Maß beeinflusst wird als von der Entwicklung der Löhne. Steigt etwa die Inflation von 3% auf 4%, so steigen damit die Lohnkosten bei Erhaltung der Kaufkraft um knapp 1 (von 103 auf 104), wohingegen bei einem Realzins von 2% die Zinskosten von 5% auf 6% um 20% steigen.
Wenn es also darum geht, das Wirtschaftswachstum nicht abzuwürgen, sondern darum, dass es, in die richtige Richtung gelenkt, auch ausreichend groß ist, dann sind auch die Wirkungen des Zinses in die politischen Entscheidungen mit einzubeziehen.

Nicht zuletzt darf aber auch darauf verwiesen werden, dass mit den empirischen Belegen von Schulmeister auch die hier vertretene Position über die Systemerhaltungsfunktion des Wachstums bestätigt wird. Die Schulden des Unternehmenssektors und des Staates wachsen weiterhin, wenngleich erstere unterproportional zum Wachstum des BIP, dafür jedoch die des Staates überproportional[lvi] [lvii]. Das Wachstum der Verschuldung durch Netto-Investitionen der Unternehmen und des Staates aber macht es möglich, dass weiterhin gesamtvolkswirtschaftliche Gewinne erzielt werden können.

Da nun aber auch der Staat sein Budget dringend konsolidieren muss, wird die Herausforderung noch stärker, die Unternehmen wieder in höherem Ausmaß zu Netto-Investitionen zu veranlassen. Die damit verbundene Politik[lviii] muss aber auch durch eine ökologische Steuerreform begleitet sein, um diese Investitionen in die Richtung hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft leiten [lix].


8.Aus diesen Einsichten sind nun konkrete politische Aufgaben und Ziele ableitbar. Diese aber können weder von einem kognitiven Verharren in einem stark paläoliberalen Spar-Denken, das von einem starren Geldbestand ausgeht, der sich auf die einzelnen Produktionsfaktoren aufteilt[lx], (angebotsorientierte Wirtschaftspolitik), noch von einer Rückkehr zum Vulgärkeynesianismus (Nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik) und einer Politik der „Entknappung von Geld“[lxi] gekennzeichnet sein. Weder das Vertrauen auf die Selbstheilkräfte des Marktes und damit eine Laisser-faire-Politik, noch eine Rückkehr zu technokratischen Lösungsmustern von Sozialingenieuren, wie sie letztlich auch mit Nachhaltigkeitskonzepten angesprochen werden, kann die Antwort sein.
Es geht vielmehr um die konsequente Bemühung um einen breiten gesellschaftlichen Konsens über die zukünftige Entwicklungsrichtung. Dieser Konsens gibt dann erst der Wirtschaft wieder ein einheitliches Ziel, welches notwendig ist, um dass Vertrauen in die zukünftigen Erwartungen[lxii] (Keynes) zu stärken. Nur dann wird die Wirtschaft aus sich heraus wieder stärker investieren und ein qualitatives Wachstum möglich sein. Denn, wie schon Keynes erkannte, „können die Pferde zwar zur Tränke geführt, aber nicht zum Saufen gezwungen werden.“

Die gegenwärtige finanzpolitische Misere bedarf zu ihrer Bereinigung neben deutlicher struktureller Veränderung auf der Ausgabenseite einer kräftigen Wirtschaft, die den Staat zu alimentieren auch in der Lage ist. Damit aber bleibt als Herausforderung für die Politik, die disperse bis chaotische Politik, die sich auf die gesamte Gesellschaft überträgt, zu überwinden und ein gemeinsames übergeordnetes Ziel der gesellschaftlichen Entwicklung glaubhaft vorzugeben. Nur dann zeichnet sich auch für die Wirtschaft jener Pfad ab, der sie zu entsprechenden Investitionen veranlassen kann.

Linz, /August 1995



Literatur:

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Die Grünen Die Zeit ist reif für einen neuen Aufbruch
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Dorfner, Ernst Der Zins in der modernen Geldwirtschaft, in Binswanger/Flotow, 1994
Duchrow, Ulrich Alternativen zur kapitalistischen Weltwirtschaft,
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Ökonomien-- die Vision einer Geldwirtschaft, V. Florentz, 1986
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Huber, Joseph Anders arbeiten, anders leben, Fischer TB, 1979
Huber Joseph Erwerb und Eigenarbeit, Fischer TB, 1985
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WIFO, Österr. Institut für Wirtschaftsforschung
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WWF Forum Energiesteuer, Eigenverlag, 1994
Weizsäcker, Ernst U.v. Der Faktor 4, Droemer-Knaur, 1995



Anmerkungen
[i] So heißt es in einem Papier der Grünen: „ Dies bedeutet, dass die menschliche Arbeitskraft aus wirtschaftlichen Gründen wieder an Attraktivität gewinnt und neue Arbeitsplätze geschaffen werden.“ (siehe Die Grünen, S. 5)[ii] Vgl. H. CH. Binswanger, 1991, S. 169ff[iii] „Ökosteuer –Sackgasse oder Ausweg?“ titelt die deutsche Greenpeace-Studie. (Siehe: Die Greenpeace, O.J) So mancher Diskutant wäre auch zu fragen: Soll Erdaushub wieder händisch statt mit einem Bagger, das Getreide wieder mit der Sense gemäht und mit dem Dreschflegel anstatt mit dem Mähdrescher gedroschen werden, schwere Lasten von Menschen getragen werden statt von einem Hubstapler, .....?[iv] „Earth in the Balance“ nennt Al Gore sein Buch (deutsch: „Wege zum Gleichgewicht“). Dieses Gleichgewicht sei also wieder herzustellen. Die Natur befindet sich allerdings nie in einem Gleichgewicht, sondern in einem ständigen negativ rückgekoppelten Veränderungsprozess.[v] Etwa: was kostet ein Toter? Was kostet eine bestimmte Gesundheitsschädigung? Der Eingriff in das Landschaftsbild? Zum Thema ‚Kostenwahrheit’ siehe noch weiter unten.[vi] Sehr grundsätzlich rechnet Capra mit der neoklassischen ‘mathematischen Wirtschaftswissenschaft’ ab, wie Jaeger zusammenfasst: „Die automatische Selbstregulierung der Märkte hin zu markträumenden Gleichgewichtspreisen als stets gegebenes Faktum hinzustellen, entspräche einem newtonschen-kartesianischen Denken, das sich angesichts der sozialen und ökonomischen Wirklichkeit als völlig unrealistisch erweise. Die Wertfreiheit der neoklassischen Untersuchungsmethoden entbinde den Wissenschafter jeglicher sozialer und ökologischer Verantwortung. „ (Franz Jaeger, 1994, S. 23)
[vii] Hansjörg Herr, 1986, S. 215
[viii] So meint Heinz-Peter Spahn: „Hinter diesen semantischen Innovationsversuchen steht die Intention, den Keynesianismus in eine Philosophie der Konsumnachfrage zu verkürzen und die Investitionen nunmehr der Angebotsseite der Ökonomie zuzurechnen. (H.-P. Spahn, 1986, S. 262)[ix] Diese These weist Stephan Schulmeister auf Basis empirischer Belege deutlich zurück. Siehe WIFO 1995, insbes. S. 179[x] (Netto)-Investitionen sind jene Investitionen, die über den Sockel der Ersatzinvestitionen hinausgehen. Dieser Sockel, der sich am Gesamtausmaß der Investitionen des Vorjahres bestimmt, muss im laufenden Jahr zuerst einmal erreicht werden, damit es zu Netto-Investitionen kommt. Die Schreibweise ‚(Netto)-Investitionen’ soll dabei symbolisieren, dass Investitionen eigentlich nur (Netto)-Investitionen sind. Diese bewirken die Neuverschuldung, während Ersatzinvestitionen normalerweise aus dem Cash-flow finanziert werden.[xi] Weder tut dies die neoklassische Schule noch die Steady-state-Ökonomie. (Vgl. Johann F. Mayer in: WWF, 1994) Auch aus einer Untersuchung des WIFO quillt zwischen den Zeilen das Gleichgewichtsdenken förmlich heraus. (Siehe dazu: BM f. Umwelt, Bd. 25, 1995)[xii] Moderne Ansätze, wie sie vor allem Binswanger vertritt, können diesen Geldbestand nirgends registrieren. Es gibt ihn nicht, weil Geld – wie wir noch zeigen werden – vielmehr erst und immer wieder durch Verschuldungsprozesse entstehen muss. Diese Verschuldung bzw. der Kredit macht es möglich, dass die Natur immer stärker wirtschaftlich usurpiert und genutzt werden kann. „Natur wird in Geld verwandelt“ sagt H.C. Binswanger (Binswanger, 1991). Die Dartsellung der wahren Kosten in Geld scheint daher bei dieser Betrachtung etwas paradox. Insbesondere Investitionen – und damit Verschuldung -, die für Ausbeutung von Natur oder für Reparatur von Schädigungen von Natur, Gesundheit, usw. getätigt werden, schaffen erst Geldeinkommen, die alternativ gar nicht ausgegeben werden könnten, weil sie gar nicht vorhanden wären. Wir werden also zumindest monetär reicher. Die monetäre Bewertung des Einsatzes von Natur ist daher eher politisch-pragmatisch zu sehen denn von monetärer Kostenwahrheit begründet.[xiii] So heißt es in einem Papier der Grünen: „Mehr als 90 Prozent der Abfälle kommen aus Betrieben und verursachen dort sinnlose Abfälle.“ (Die Grünen, o.J, S. S 5)
Dazu ist zu sagen: Es sind zwar ressourcen-ökonomisch sinnlose Kosten, aber nicht betriebswirtschaftlich, solange die Kosten der Vermeidung höher sind als die der Verschwendung. Bei einer ökologischen Steuerreform geht es ja gerade darum, die Kosten der Verschwendung höher zu halten als die der Vermeidung.
In jedem Fall aber gilt, dass gesamtvolkswirtschaftlich Kosten stets auch Einkommen sind. Wie viel unserer monetären Einkommen allerdings ressourcen-ökonomisch mehr als sinnlos sind, sollten wir deshalb gar nicht hinterfragen. Wenn wir diese Kosten aber alle vermeiden würden, gäbe es ceteris paribus eine gewaltige Arbeitslosigkeit.
So ist es volkswirtschaftlich auch nicht von Nachteil, wenn die Vermeidungskosten hoch sind, solange die Kosten der Verschwendung höher sind als die der Vermeidung. Hier trifft sich die Ressourcenökonomie mit der Geldökonomie.
[xiv] Hans Ch. Binswanger in H. Ch. Binswanger/ P. v. Flotow, 1994[xv] Hans Ch. Binswanger in H. Ch. Binswanger/ P. v. Flotow, 1994

[xvi] Im zeitlichen Querschnitt (gesamtvolkswirtschaftlicher Statusreport) saldieren natürlich gesamtvolkswirtschaftlich in einer geschlossenen Wirtschaft Schulden und Guthaben immer zu Null. In der Zeitachse saldieren jedoch die zukünftigen mit den gegenwärtigen Schulden ebenso wie die Guthaben untereinander nicht zu Null. Beide wachsen mit der Zeit. Da in den Querschnittsbetrachtungen stets mit Relativgrößen und nicht mit Absolutwerten operiert wird, fällt dies nicht auf. Allerdings weist eine stets positive Wachstumsrate darauf hin, dass die Absolutwerte mit der Zeit wachsen müssen. (Vgl. dazu Stephan Schulmeister in WIFO Monatsberichte 3/95, S. 165 ff)[xvii] Darum kann diese Schule das Wachstum auch nicht beschreiben – und kann sie immer noch von einem Kreislaufschema reden, welches dann nicht nur in den Köpfen der Studierenden fest verankert ist.
[xviii] Auf Kalecki aufbauend schreibt Joan Robinson in einem Beitrag aus dem Jahr 1957: „Der Überschuss der Einnahmen aus dem Verkauf von Konsumgütern über deren Lohnkosten ist gleich der Lohnsumme im Investitionsgütersektor. Die Gewinnspanne beim Verkauf von Konsumgütern hindert die Arbeiter im Konsumgütersektor daran, ihr gesamtes eigenes Produkt zu konsumieren und ermöglicht den Arbeitern im Investitionsgütersektor, am Konsum teilzuhaben. Je größer der Investitionssektor ist, desto höher sind die Gewinnspannen und desto niedriger ist das Reallohnniveau. „(J. Robinson, 1962, S. 99) Ähnlich argumentiert H. Ch. Binswanger. (Siehe Binswanger/Flotow, 1994, S. 105)
[xix] J. Robinson in Bezug auf Keynes: „ Was wichtig ist, ist das Investieren und nicht dessen Früchte. Sogar wenn die Investition nur darin besteht, Löcher in den Boden zu graben und sie wieder auszufüllen, wird sie Nachfrage erzeugen und zu einer Zunahme des Realeinkommens führen. Die Zunahme des Realeinkommens resultiert nicht aus den Löchern, sondern aus dem Prozess des Grabens, der bewirkt, dass Geld ausgegeben wird.“ (Robinson, 1962, S. 96). Die Argumentation bezüglich des Realeinkommens ist allerdings zu hinterfragen. Entstehen aus der Investition keine verkaufbaren Produkte, so führt das Geldausgeben auf Sicht zu einer Inflation und nicht zu Wachstum. H. Riese kritisiert daher den Keynesianismus, „den Anspruch einer Beschäftigungstheorie nur teilweise eingelöst zu haben. Die Vorstellung, durch Entknappung von Geld Vollbeschäftigung zu erreichen, erweist sich als Illusion.“(H. Riese, 1995)[xx] Vgl. den Kommentar von Rainer Christian in der Wirtschaftswoche 38/1995: Rainer empfiehlt die Löhne (also nicht die Lohnkosten) zu senken, weil dann die Unternehmer mit dem gleichen Geldaufwand mehr Menschen beschäftigen könnten und so die Wirtschaft wachse.[xxi] „Es wird manchmal angenommen, dass die Mittel der Kapitalisten zum Investieren von den Ersparnissen abhängen. Aber das ist nicht der Fall. Wenn dauernd gespart wird, erreichen die Einnahmen nicht die Ausgaben der Unternehmer, und diese sind zum Geldleihen gezwungen, um Investitionen zu finanzieren. Aber wenn sonst niemand spart, sind ihre Gewinne umso größer, und sie können die Investitionen aus ihren unverteilten Gewinnen finanzieren, ohne borgen zu müssen. Daher passt ihnen das Geldausgeben der Öffentlichkeit besser als das Sparen.“ (J. Robinson, 1962, S. 101)[xxii] Hajo Riese bezeichnet deshalb „Geld: Das letzte Rätsel der Nationalökonomie“. In diesem Beitrag schreibt er: „1. Geld ist kein Kredit, weil es Zahlungsmittel ist. 2. Geld entsteht aus dem Kredit. Diese beiden Sätze reichen aus, dass sich das letzte Rätsel der Nationalökonomie in Wohlgefallen auflöst.“ (Riese, 1995)[xxiii] „Das Verhältnis zwischen öffentlicher und privater Tugend zeigt sich nun in einer komplizierteren Form. Für den privaten Familienvater ist es eine Tugend, vorsichtig zu sein und zu sparen. Für die Kapitalisten als Klasse betrachtet, ist es das Geldausgeben, das verdienstvoll ist; denn gerade das Ausgeben erzeugt Gewinne.“ (J. Robinson, 1962, S. 100)[xxiv] So schreibt Franz Jaeger, (HS. St. Gallen) in seinem neoklassischen umweltökonomischen Lehrbuch: „...sind die Modelle der neoklassischen Wachstumstheorie nur quasidynamisch. (..) Trotz der theoretischen Erweiterung kann also von einer Aufgabe der Zeitlosigkeit und somit von einer echten Dynamisierung des neoklassischen Gleichgewichtskonzeptes im Rahmen der auf ihm basierenden Wachstumslehre nicht gesprochen werden. „ (Franz Jaeger, 1994, S. 22ff)[xxv] Vgl. nochmals Note 1[xxvi] Die Bemühung, von einer nachhaltigen Entwicklung statt von einem nachhaltigen Wachstum zu reden, zeigt, wie sehr die monetäre Seite nicht in die Überlegungen mit einbezogen sind. Beinahe scheint es, als ob ein Problem semantisch beseitigt werden soll.[xxvii] H. Ch. Binswanger, 1991, S. 192ff
[xxviii] Raimund Dietz hat dies sehr einprägsam in einem Beitrag dargestellt. Siehe: R. Dietz, Geld und moderne Gesellschaft, in Pastoralamt der Diözese Linz, 1995[xxix] In meinem Beitrag ‘Der Zins in der modernen Geldökonomie’ beschreibe ich das ausführlich. Siehe dazu E. Dorfner in Binswanger/Flotow, 1994.
[xxx] So rankt sich die Thematik der Emanzipation der Frauen um das Thema ‘Erwerbsarbeit’ und damit um Geld, das nur hier (originär) verdient werden kann. Geld macht unabhängig: So auch die Frau vom Mann. Geld aber macht auch abhängig: Vom System, das es hervorbringt.[xxxi] Hans Jonas, 1987[xxxii] „Produktion heißt ... Verwandlung von Natur in geldwerte Waren und schießlich in Geld. (H.C. Binswanger, 1991, S 17)
[xxxiii] Hier sei nochmals an das weiter oben gebrachte Zitat von Binswanger erinnert: „‘Die List der Vernunft’ (Hegel), die im geldwirtswirtschaftlichen System wirkt, besteht nun darin, dass sich die Produzenten durch Aufnahme von Krediten aus neugeschöpftem Geld gleichzeitig die Nachfrage schaffen, die nötig ist, damit sie ihre (bereits fertigen E.D)Waren mit Gewinn ansetzen können.“
[xxxiv] Vgl. dazu H.Ch. Binswanger, in Binswanger/Flotow, 1994, S. 103ff.[xxxv] „Die Vorstellung, dass der Wirtschaftsprozess einen ‚Anfang’ hat, an dem ein aufgeschatzter Geldbestand steht, erweist sich damit als Fiktion“. (H.P. Spahn, 1986, S. 168)[xxxvi] Die reine Dienstleistungsgesellschaft, die selbst nicht aus sich heraus investiert, ‘das Land der Kellner und Schilehrer’, bringt selbst kein Geld hervor. Eine derartige Volkswirtschaft wird von anderen ‘industriell-investiven’ Volkswirtschaften mit deren Geld alimentiert . (Vgl. dazu auch die Aussagen von Gudrun Biffl, WIFO, in OÖN vom 31.08.95 : „Produktionsorientierte Dienstleistungen stehen und fallen mit der Produktion.“)[xxxvii] Hier spricht das Energiesteuermodell der Grünen immer von Investitionen in den öffentlichen Verkehr- Ich meine dagegen, dass dies öffentlicher Konsum ist, solange dies aus Steuermitteln und nicht durch öffentliche Verschuldung finanziert wird.
[xxxviii] D.h. Konsumausgaben, die nicht durch Sparen bei anderen Konsumausgaben, sondern durch eine gesamtvolkswirtschaftliche Neuverschuldung erzielt werden.
[xxxix] Wie das alles funktioniert, beschreibt H. Ch. Binswanger ausführlich in Binswanger/Flotow, 1994, S. 82ff . Anzufügen ist, dass die obige Beschreibung insofern verkürzt ist, als die Geldeinnahmen ja weitgehend zur Tilgung der alten Schulden verwendet werden und somit das gesamte wieder investierte Geld durch Kredite neugeschöpft werden muss.
[xl] Durch den marktwirtschaftlichen Wettbewerb allein werden nur Quasirenten (A. Marshall) möglich, d.h. Gewinne des einen bedingen Verluste von anderen.[xli] „Der Gewinn aus der Tätigkeit eines jeden Jahres ist gleich dem Wert dessen, was während des Jahres zum Kapital hinzugeschlagen wurde, aber da die Wirtschaft sich ständig ausweitet, sind die Investitionen in jedem Jahr größer als im Vorjahr“ So J. Robinson. (J. Robinson, 1962, S. 99). Ähnlich H. Ch. Binswanger 1994: „Die Gewinnsituation lässt sich nur aufrechterhalten, wenn die (Netto)-Investitionen von Periode zu Periode wachsen. (Binswanger, in Binswanger/Flotow, 1994, S.107)[xlii] Bildliche Darstellung bei H. Ch. Binswanger, 1991, S. 52, erstmalig veröffentlicht 1972[xliii] Im Gegensatz zu den Unternehmen kann er (der Staat) aber nicht einen Teil der Verschuldung durch Gegenbuchung als Vermögen neutralisieren, sondern muss die Verschuldung offen ausweisen.“ (Binswanger/Flotow, 1994, S. 113)[xliv] Siehe Schmidt-Bleek, 1994, E.U.v. Weizsäcker, 1995[xlv] Die von Periode zu Periode steigenden Netto- und Gesamtinvestitionen werden bislang auf eine immer weiter steigende Produktionsmenge /Stückzahl umgelegt. Daraus resultieren die sgn. Skalenerträge (Economic of scale). Was dann bei geringerem Stoffdurchsatz etwa durch längere Lebensdauer der Produkte passiert, ist ungeklärt bzw. noch nicht einmal diese Frage gestellt. Die weiterhin steigenden Investitionen – d.h. es wird immer mehr Geld investiert – müssen in den Folgeperioden auf immer weiter sinkende Stückzahlen umgelegt werden. Zwischen dem monetären BSP und der Menge an realen Gütern öffnet sich die Schere immer weiter.[xlvi] Mit Bezug auf Max Webers Protestantische Ethik schreibt Albert O. Hirschmann: „Mit anderen Worten: Wie konnte es geschehen, dass Handel, Bankwesen und ähnliche, dem Gelderwerb dienende Tätigkeiten an einem bestimmten Punkt der Moderne ehrbar wurden, nachdem sie Jahrhunderte lang als Geiz, Gewinnsucht und Habgier verurteilt und verachtet wurden?“ (Hirschman, 1987, S. 17) H. geht in diesem Essay dieser Frage nach und rekonstruiert, dass die harmlose Habgier zur Abwehr aller anderen menschlichen Leidenschaften instrumentalisiert wurde.[xlvii] Georg Simmel spricht von „substanzgewordenen Sozialfunktionen“, die die sozialen Beziehungen zwischen Menschen ersetzen. (Georg Simmel, Philosophie des Geldes, zitiert nach O. Ramstedt, in Binswanger/Flotow, 1994.)[xlviii] Wenn man die Literatur durchsieht, finden sich immer wieder nur diese Vorschläge. Vgl. etwa Binswanger/Ginsburg, 1979, J. Huber, 1979, 1985, Ulrich Duchrow, 1994[xlix] Siehe Hansjörg Herr, 1986, S. 214 ff.
[l] Befürchtungen über ‘den Ruf nach dem starken Mann’ äußerte Kardinal Franz König in der ORF-Sendung „Orientierungen“ (Sommer 1995) als Folge des Überhandnehmens von Partikularinteressen vor den gemeinschaftlichen Anliegen einer Gesellschaft, so dass in dieser Richtung ‘nichts mehr geht’.
[li] Stephan Schulmeister, WIFO 3/1995, S. 165ff
[lii] „Seit Ende der siebziger Jahre liegt der Zinssatz in den wichtigsten Industrieländern durchwegs über der Wachstumsrate. Unter diesen Bedingungen können die Unternehmen, aber auch der Staat die Relation zwischen ihren Schulden und dem BIP nur dann stabilisieren, wenn sie Überschüsse in der Primärbilanz (Bilanz vor Zahlung der Zinsen) erzielen. Tatsächlich drehte der Unternehmenssektor seine Primärbilanz von einem Defizit in einem permanenten Überschuss, indem er seine Investitionen von realer zu finanzieller Veranlagung verschob. Sachkapital und Schulden der Unternehmer wuchsen daher langsamer als das BIP. Bei anhaltend hohen Überschüssen der privaten Haushalte konnte es dem Staat nicht gelingen, selbst Primärüberschüsse zu erzielen, seine Verschuldung ist in den letzten 15 Jahren in nahezu allen Industrieländern überdurchschnittlich gestiegen.“ (St. Schulmeister, in WIFO 3/1995, S. 165)
[liii] St. Schulmeister, in WIFO 3/1995, S. 179
[liv] St. Schulmeister, in WIFO, 3/1995, S. 180
[lv] vgl. Fußnote 31[lvi] Dies bestätigt meine Überlegungen. (Siehe E. Dorfner in Binswanger/Flotow, 1994, S. 157ff)
[lvii] vgl. dazu Zitat Fußnote 26
[lviii] „Die (..) Strategie bestünde darin, Konsolidierungsmaßnahmen zu setzen, welche die Investitions- und Verschuldungsbereitschaft der Unternehmer nicht verringern bzw. die Konsumquote der Haushalte erhöhen - etwa durch Senkung des verfügbaren Einkommens jener Schichten, die darauf stärker mit einer Reduktion ihres Sparens als ihrer Nachfrage reagieren“ (z.B. Kürzung von Transferleistungen für die einkommensstärksten Schichten oder höhere Besteuerung der Zinserträge, ... (St. Schulmeister, WIFO 3/1995, S. 179)
[lix] Diese Hinweise gewinnen mit den laufenden Gesprächen über das Budget 1996 deutlich an Aktualität.[lx] Zuwenig Investitionen bedeutet danach zuwenig Sparen, das wiederum zu niedriger Zinnsatz. Demnach haben die Monetaristen eine Hochzinspolitik verfolgt, die mit Schuld trägt an dem gegenwärtigen Budgetdilemma.[lxi] Das heißt, dass der Staat für öffentlichen Konsum unbegrenzt Kredite aufnimmt. ‚Entknappung’
liegt aber nicht vor, wenn für Unternehmen Kredite für ein ausreichendes Wachstum zur Verfügung stehen, das über die Höhe des Notenbankzinssatzes grob gesteuert wird.
[lxii] „Der Zustand des Vertrauens, wie er genannt wird, ist ein Faktor, dem die Geschäftsleute immer die tiefste und sorgfältigste Beachtung schenken.“ (J. M. Keynes, 1935, S. 125)